Götter des Meeres
Angriff. Abermals entgehe ich dem gierigen Maul und stoße zu. Der Mörderfisch ist geblendet. Ich erkenne es an seinen Bewegungen. Noch einmal bohre ich meine Waffe in den Schädel des Tieres. Gleich darauf wischt mich ein Schwanzschlag zur Seite. Mir schwinden fast die Sinne, und ich glaube, mir sämtliche Knochen gebrochen zu haben, als ich schwer auf das Dach eines Gebäudes aufschlage. Unfähig, mich aufzurichten, stelle ich mir die Frage, warum ich noch lebe.
Dann höre ich begeisterte Schreie und sehe die ersten Okeazar furchtlos näherkommen. Sie gebärden sich wie toll.
Als es mir endlich gelingt, den Kopf zu heben, weiß ich, was in sie gefahren ist. Hoch über mir treibt regungslos der Mörderfisch. Mein letzter Stoß muß ihn getötet haben.
6.
Nie hätte ich gewagt, um Aufnahme in den Kreis der Jäger zu bitten. Sie haben mich von selbst zu sich geholt und dem Kommando Ertachs unterstellt, welcher der 3. Klasse angehört. Ich weiß, daß ich dies meinem Kampf mit dem Mörderfisch zu verdanken habe, dennoch würde ich mich kein zweites Mal der Gefahr aussetzen wollen.
Schon vom ersten Augenblick an konnte ich Ertach nicht ausstehen. Da ist etwas an ihm, das mich abstößt. Heute, nach etlichen Tagen, weiß ich, daß mein Gefühl nicht trog. Ertach ist ein geradezu fanatischer Anhänger des Anemona-Kults, außerdem brutal und skrupellos, sogar seinen Untergebenen gegenüber. Es heißt, daß nur sehr wenige außer ihm Kontakte zu den Bewohnern der Oberwelt knüpfen können; er leitet die kultischen Vereinigungen. Zudem wird geflüstert, daß Ertach Aufsässige, gleich woher sie stammen, kurzerhand den Okeara-lör, den Priesterinnen, übergibt. Selbst Angehörige der Jagdkommandos sollen auf diese Weise auf dem Opfertisch der Anemona gelegen haben.
An all das muß ich denken, während ich in der Dämmerung allein hinausschwimme. Mein Ziel ist eine der vielen Buchten an der Südküste von Asingea. Dort, so habe ich erfahren, werden in dieser Nacht, wenn der Mond am Horizont versinkt, Menschenfrauen und Okeazar beisammen sein. Manche der Kinder, die solchen Ritualen entspringen, werden zu Wasserbewohnern, die auch an Land zu leben vermögen, die anderen schickt man wieder zur Oberfläche empor. Ich habe mein Dasein einer solchen Nacht zu verdanken und selbst in Mergesas Adern, so behauptete Aleoch einmal, floß nicht das reine Blut der Okeazar.
Ich glaube, die Meermutter hat den Bewohnern von Ptaath dieses Tun befohlen.
Die See ist stürmisch und aufgewühlt. Schaumkronen tanzen auf den Wellenkämmen, die dort, wo die Insel nicht schützend vorgelagert ist, beachtliche Höhe erreichen. Das macht es mir leichter, zu beobachten, ohne selbst entdeckt zu werden. Trotzdem bin ich vorsichtig, denn Ertach ist gefährlich.
Nach einer Weile schieben sich düstere Wolken vor den Mond. Geisterhaft huschen ihre Schatten über das Meer, das hier nicht sonderlich tief ist. An manchen Stellen glüht das Wasser auf, aber es sind nur Schwärme von Leuchtfischen, die sich dort zusammenfinden.
Endlich kommt die Ebbe. Asingea scheint förmlich aus den Fluten aufzusteigen. Unzählige Priele entstehen, während ein breiter Streifen zwischen Insel und Meer begehbar wird.
Über das Watt nähern sich die Menschenfrauen. Sie tragen Fackeln und Opfergaben. Dort, wo die letzten Rinnsale allmählich versickern, schichten sie Hölzer auf und entzünden dann den Stoß, der mit hell lodernder Flamme brennt. Ihre nackten Körper bewegen sich in lautlosem Tanz, während der Feuerschein sie einhüllt und flackernde Schatten über die sanft auflaufenden Wellen huschen.
Ich fühle, daß die beginnende Ekstase auch vor mir nicht haltmacht, und ziehe mich weiter zurück. Die Bucht ist nicht sonderlich groß und geht zu beiden Seiten in eine Steilküste über, an die auch jetzt noch das Wasser heranreicht.
Irgendwann ist das Feuer nahezu abgebrannt, sind die Flammen dem Erlöschen nahe. Jetzt werfen die Frauen ihre Opfergaben ins Meer, um die Göttin zu besänftigen und gleichzeitig ihr Wohlwollen zu erflehen. Anschließend werden neue Fackeln angesteckt, die Glut verstreut man in alle Himmelsrichtungen.
Winzige Lichter sind es für mich, die am Rand der Klippen hinaufsteigen. Meine Aufmerksamkeit wird vorübergehend abgelenkt, als ich in einiger Entfernung den ersten Okeazar auftauchen sehe. Im spärlichen Fackelschein ist er nicht viel mehr als ein Schemen, von dem das Wasser abperlt.
Die erste Frau stürzt sich ins Meer. Sie bleibt
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