Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Götter des Meeres

Götter des Meeres

Titel: Götter des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
Gebäude mag sie gelebt haben.
    Vor zwei Tagen wurde ich Zeuge einer Opferung. Es waren Menschen, die man der Göttin zum Geschenk brachte. Spätestens seit diesem Anblick bin ich wirklich überzeugt davon, daß der grausame Kult ein Ende finden muß. Und ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um das zu erreichen.
    Jemand muß mich wohl beobachtet haben, als ich die Augen niederschlug, denn heute gab man mir neue Arbeit, schmutziger als alles, was ich vorher in dieser Stadt tat.
    »Du scheinst die Gegenwart von Menschen nicht ertragen zu können«, spotteten einige Okeazar. »Oder hat es andere Gründe, daß du dich abwandtest, als man der Anemona huldigte? Wenn du künftig ihre Pferde säuberst, wirst du dich daran gewöhnen können.«
    Und nun stehe ich einigen dieser Wesen von der Oberwelt gegenüber. Wie gerne würde ich sie wissen lassen, daß ich ihre Sprache verstehe, aber ich kann es nicht, denn ich bin nicht allein. Zwei weitere Angehörige der untersten Kaste begleiten mich.
    Die Menschen starren uns aus angstvoll aufgerissenen Augen an. Wissen sie, was ihnen bevorsteht? Mit einemmal fühle ich mich schwach und hilflos.
    Einer meiner Begleiter lacht zynisch.
    »Ist dir nicht gut, Learges? Verträgst du den Gestank nicht, den sie verbreiten?« Mit seinem Dreizack deutete er auf die Menschen, die noch weiter zurückweichen.
    Die Zeit vergeht, während ich immer mehr Dinge kennenlerne, die mich abstoßen. Ich erfahre, daß längst nicht alle Bewohner der Oberwelt gleich sind. Viele von ihnen, auch jene, die Verbindungen zwischen Menschen und Tritonen entstammten, sind zum Opfer bestimmt. Es heißt, daß die Göttin ihres Fleisches bedarf. Aber niemand kann oder will mir sagen, wie die Anemona aussieht. Sobald ich die Rede darauf bringe, weicht man mir aus. Mit jedem meiner Worte scheine ich ein Sakrileg zu begehen. Andere Gefangene werden für die Aufzucht einer neuen Generation benötigt, wobei mir ebenfalls unklar ist, was ich mir darunter vorzustellen habe.
    Oft denke ich an Aleoch. Weiß er, was in Ptaath geschieht? Hat Mergesa ihm dies alles geschildert?
    Endlich erkenne ich als meine Bestimmung, was ich zuerst widerwillig tat. Innerhalb einer Gezeit gelingt es mir, das gegen mich bestehende Mißtrauen auszuräumen.
    Nun bin ich einer von Ptaath. Man erkennt mich an, wenngleich keiner Achtung vor mir hat. Aber immerhin kann ich mich weitaus freier bewegen als zuvor. Vielleicht deshalb finde ich heraus, daß es Okeazar gibt, die unzufrieden sind, die aus dem einen oder anderen Grund gelernt haben, das herrschende Kastenwesen zu hassen. Sie mache ich zu meinen Freunden, wenn sie auch jetzt noch nicht erfahren dürfen, welche Absichten ich hege. Erst nach und nach werde ich ihnen die Wahrheit beibringen.
*
    »Learges!« rief Gerrek aus, aber der Tritone antwortete nicht. Zu spät erkannte der Mandaler seinen Irrtum. Die Züge des Fischmenschen waren härter, brutaler irgendwie, und in seinen Augen funkelte eine Mordgier, die den Beuteldrachen erschauern ließ.
    Schon griff der Geschuppte an, stürzte sich auf Gerrek, der nicht wußte, wie er ihm entgehen sollte. Ein wenig hilflos platschte der Mandaler mit beiden Armen aufs Wasser.
    Als er die Schuppenhand auf der Schulter spürte, erinnerte er sich endlich seines Schwertes. Mit Mühe schaffte er es, die kurze Klinge aus der Scheide zu ziehen. Aber obwohl er wild mit beiden Beinen strampelte, ging er unter.
    Der Tritone zerrte ihn wieder hoch. Prustend und spuckend tauchte Gerrek auf, wollte sofort zuschlagen, doch war es, als würden unsichtbare Bande ihn festhalten. Ehe er recht begriff, was geschah, kam der Gegner über ihn.
    Abermals schlug das Wasser über Gerrek zusammen. Eine schwere Last drohte ihn in die Tiefe zu ziehen. Diesmal jedoch hielt der Mandaler die Augen geöffnet. Alles um ihn herum drehte sich. Für einen flüchtigen Moment erkannte er den Schädel des Tritonen vor sich.
    Die Luft wurde ihm knapp. Der Beuteldrache fühlte seine Sinne schwinden und riß voller Verzweiflung den Rachen auf. Er schluckte Salzwasser. Ekelerregend rann es durch seine Kehle und rief noch einmal die Lebensgeister in ihm wach.
    Unvermittelt kam er frei, erhielt einen schmerzhaften Stoß in die Seite, der ihn hochwirbelte. Diesmal gelang es ihm, sich oben zu halten. Mit Händen und Füßen gleichzeitig krallte er sich an der Wand fest. Das Wasser schien nicht mehr weiter zu steigen. Knapp eine halbe Körperlänge unter der Decke war die Flut zum Stillstand

Weitere Kostenlose Bücher