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Götter des Meeres

Götter des Meeres

Titel: Götter des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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nicht lange allein. Ein seltsamer, lautloser Reigen beginnt, nur begleitet vom steten Plätschern des Wassers.
    Erst als im Osten bereits der Morgen heraufzieht, lösen sich die Wesen zweier Welten voneinander. Bevor die Sonne rotglühend aus dem Meer steigt, habe ich Ptaath ungesehen wieder erreicht.
*
    Die Okeazar des ersten Kreises leben nur in den äußeren Tempelbezirken und an einigen abgelegenen Stellen von Ptaath, denen des zweiten Kreises ist es bereits erlaubt, die peripheren Hallen des Tempels zu betreten, und die der dritten Klasse gar bewachen die innere Kuppel. Ertach gehört zu ihnen. Dennoch scheint sich meine Hoffnung, jemals die Meermutter oder gar die Anemona zu Gesicht zu bekommen, nicht zu erfüllen. Nicht einmal das Aussehen der Okeara-lör kenne ich.
    Inzwischen habe ich Ertach fürchten gelernt. Leider brachten die Jagd und alle anderen Aufgaben es mit sich, daß ich meine Fähigkeiten unter Beweis stellte. Nun weiß ich zwar, daß Ertach mir in verschiedenen Dingen unterlegen ist, nur verbindet sich dieses Wissen mit anderen Gefühlen als mit Genugtuung. Ich glaube, Ertach haßt mich dafür, daß ich tiefer zu tauchen vermag als er und wesentlich länger an Land bleiben kann, ohne auszutrocknen. Fürchtet er in mir einen Rivalen?
    Während wir den schmalen, gewundenen Pfad hinaufsteigen, der vom östlichen Ufer aus ins Innere der Insel Nida führt, bedenkt er mich immer wieder mit brennenden Blicken. Wir sind zehn - die besten Jäger, die Ptaath aufzubieten hat -, aber einige von uns keuchen bereits jetzt unter der ungewohnten Anstrengung.
    Die Sonne steht noch im Anfang ihrer Bahn. Wenn sie höher wandert, werden ihre sengenden Strahlen uns schwer zu schaffen machen. Deshalb müssen wir schnell sein.
    Eine kleine Ansiedlung der Inselbewohner ist unser Ziel. Die Hütten, die sich eng an die mächtigen Stämme schattenspendender Baumriesen anlehnen, wurden zum Teil aus den Gerippen von Fischen errichtet und mit Schilf und Gräsern bedeckt. Wir erreichen sie schon nach kurzer Zeit.
    Niemand ist zu sehen.
    Auch wenn ich mir nichts anmerken lasse, bin ich doch froh darüber. Unsere Aufgabe ist immerhin, Gefangene zu machen, denn ein großes Opferfest steht bevor.
    Das Sägezahnschwert in der Rechten, stürmt Ertach in eine der Hütten hinein. Aber schon einen Herzschlag später kommt er wieder zum Vorschein, wütend und ungehalten.
    »Findet sie!« brüllt er. »Schafft sie herbei, oder ihr werdet den Zorn der Meermutter zu spüren bekommen.«
    Die Inselbewohner haben ihre ganze Habe zurückgelassen. Das deutet darauf hin, daß sie überstürzt geflohen sind. Wohin, ist schwer zu sagen. Keiner von uns ist geübt im Erkennen von Spuren. Ich sehe zwar die Abdrücke nackter, vierzehiger Füße und Schwimmhäute, die über lehmigen Boden tiefer in den Wald führen, aber ich schweige. Ertach ist nahe daran, den Befehl zur Rückkehr zu geben.
    Schließlich werde ich auf ein leises Geräusch aufmerksam, das aus einem nahen Gestrüpp erklingt und mich an das Wimmern eines Kindes erinnert. Flüchtig blicke ich mich um. Keiner der anderen scheint etwas gehört zu haben, sie sind zum Teil etliche Dutzend Schritte entfernt.
    Es fällt mir schwer, mich zwischen den dichten Ästen hindurchzuzwängen, aber ich schaffe es, ohne mir an den Dornen die Schuppen abzureißen.
    Das Geräusch verstummt.
    Zu erkennen ist nichts. Dichtes Laubwerk behindert die Sicht und macht es mir unmöglich, mich zurechtzufinden. Deshalb gehe ich in der einmal eingeschlagenen Richtung weiter.
    Gleich darauf gelange ich auf eine winzige Lichtung. Tatsächlich kauert ein verängstigtes Kind am Boden. Es mag acht Sommer zählen oder auch neun. Seine Augen, groß und rund, aber auch starr wie die eines Okeazar, sind unverwandt auf mich gerichtet. Gesicht und Körper weisen unzählige grüne Flecken auf, die zwar wie Schuppen wirken, in Wirklichkeit jedoch nichts anderes sind als verdickte Hautfetzen. Dieses Menschlein kann nicht im Wasser leben. Besonders auffallend ist, daß die Kiemen fehlen.
    »Du brauchst dich nicht zu fürchten«, sage ich leise.
    Das Kind wendet den Blick nicht von mir. Es zittert. Geronnenes Blut bedeckt etliche Kratzer an seinen Armen und am Oberkörper, die von den Dornen stammen.
    »Ich will dir nichts tun.«
    »Du bist böse!«
    »Ich heiße Learges.«
    »Hm.« Das Kind streckte mir die Zunge heraus. Ich sehe zwei Reihen blitzender Fischzähne.
    »Wo sind deine Mutter und die anderen?«
    Irgendwo hinter mir ist

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