Götter des Meeres
besiegt; Mythor und Scida trieben die letzten beiden Tritonen soeben zurück. Einige Schritte entfernt kauerte Sosona neben Learges. Sie hatte während des Kampfes nicht ein einziges Mal aufgesehen, sondern sich nur des Rebellen angenommen.
Schließlich wandte Mythor sich der Hexe zu.
»Was ist mit ihm?« wollte er wissen.
»Das sieht jeder, daß es mit dem Fischmenschen zu Ende geht«, warf Gorma laut ein. »Wir müssen jedenfalls weiter.«
»Seine Erzählung hat ihn geschwächt«, sagte Sosona. »Trotzdem können wir ihn nicht einfach zurücklassen.«
Learges versuchte sich aufzurichten.
»Nur im Meer… kann ich Heilung finden«, keuchte er. »Bringt mich hin - bitte…!«
»Was ist mit Ertachs Schergen, die draußen lauern?« fragte Gerrek. »Würden sie ihn nicht sofort töten?«
»Also«, triumphierte Gorma. »Learges bleibt hier. Das Wasser steht hoch genug, daß er sich darin wohl fühlen kann.«
»Dann gehen wir ebenfalls nicht weiter«, beharrte Sosona.
»Du bist zwar eine Hexe Zaems, aber dein Alter läßt dich den Sinn für die Wirklichkeit verlieren«, brauste Gudun auf. »Du handelst unvernünftig, und ich werde dich notfalls mit dem Schwert zwingen, uns zu folgen.«
In Sosonas Augen trat ein gefährliches Glitzern.
»Wage es nicht«, flüsterte sie betont leise, »die Waffe gegen mich zu richten.«
»Du weißt nicht, was du tust, Sosona. Wenn Burra hier wäre…«
»Sie ist aber nicht da. Und genau aus diesem Grund werde ich Learges nicht freigeben, weil er als einziger von uns Ptaath kennt und uns hoffentlich zu Zaems und Burras Gefängnis führen kann. Ich bin überzeugt davon, daß beide Gefangene der Meermutter sind.«
»Begehst du da nicht einen großen Irrtum?« meinte Mythor. Die Hexe musterte ihn verblüfft.
»Du bist nur ein Mann, was also verstehst du davon?«
»Honga hat trotzdem recht«, stieß Gudun sofort in dieselbe Kerbe.
»Mir ist egal, was ihr von mir haltet«, ließ Mythor daraufhin wissen. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß eine Zaubermutter wie Zaem sich leicht gefangennehmen läßt.«
»Zaems Magie und Burras Schwertern vermag niemand zu widerstehen«, behauptete Gorma.
»Du vergißt die Schwarze Mutter, die man in Vanga auch die Namenlose nennt«, rief Sosona deutlich ungehalten aus. »Sie ist die Meermutter, von der Learges sprach, und ihre Macht steht der der Zaem kaum nach.« Ihr Blick schien plötzlich in weite Ferne zu gehen, und ihre Haltung versteifte sich. Tonlos kam es über ihre Lippen:
»Töchter von Vanga höret und laßt euch das Schicksal dieser Frau, die nichts Weibliches an sich hatte, zur Warnung gereichen. Sie brachte das Dunkel in unsere Welt, und in dieses wurde sie zurückgestoßen…«
»Die Geheimen Gesänge der Zaubermütter?« hauchte Kalisse ergriffen. Ihr Ausruf schreckte Sosona auf.
»Ahnt ihr nun, welche Macht die Meermutter besitzt?« fragte die Hexe. »Ihre Schwärze ist schuld am Untergang von Singara, das vor fünfhundert Sommern ein blühendes Reich war. Und ich will euch noch sagen, daß es nicht einmal Strafe war, sondern vielmehr ein Akt der Reinigung, als Raem, damals eine Hexe und Kriegerin in Weiß, ausgesandt wurde, diejenige, deren Name nicht genannt werden darf, ins Nasse Grab zu stürzen. Und Raem wurde zu Zaem, zur Zaubermutter, nachdem sie vollbracht, was aller Verlangen war. Nur das Dunkel blieb von jener, der einst Vangas Vertrauen galt. Zaem nahm ihr zuletzt auch den Namen, der ausgelöscht wurde, gestrichen selbst im Buch des Lebens, daß niemand ihn mehr nennen kann und nur die Toten aus dieser Zeit ihn noch kennen.
Auch wenn die Geheimen Gesänge der Zaubermütter viel mehr darüber berichten, so darf ich euch dies nicht sagen. Aber ich verlange, daß ihr selbst euer Leben gebt, um Zaem zu befreien.«
Betretenes Schweigen folgte ihren Worten, und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Mythor allerdings sah noch keinen zwingenden Grund, der Zaubermutter zu helfen. Immerhin war es ihre erklärte Absicht, Fronja zu töten, und auch ihn hatte sie nicht eben ins Herz geschlossen. Darüber hinaus war sie eine Gegnerin der Zahda, der er viel verdankte. Andererseits war ihrer aller Gegnerin die Meermutter, und sie würde nicht fragen, welche Absichten der einzelne hegte.
»Learges wird uns den Weg weisen«, stellte Sosona fest. Als sie sanft mit den Fingern seine Schläfen berührte und über die linke Seite seines Brustkorbs hinwegstrich, ging viel von ihren Zauberkräften auf ihn über.
»Du wirst
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