Götterbund (German Edition)
schlucken und näherte sich der Treppe. Es ist nur die Stille , redete sie sich ein. Diese unnatürliche Geräuschlosigkeit, die dem Haus innewohnte. Langsam stieg Yanna die Treppe hoch. Wenn wenigstens die Stufen unter ihren Schritten knarren würden.
Oben erwartete Yanna ein ähnlich weiträumiges Zimmer wie unten. Zu ihrer Rechten ging eine Tür ab. Zögernd ging die junge Frau einige Schritte in den Raum hinein. In die linke Wand waren drei große Fenster, sowie eine gläserne Tür eingelassen worden, die den Blick auf einen großen Altan freigaben.
Wo konnte der Taissin die Liste der Gesuchten versteckt haben? In diesem Raum gab es keine Schränke. Ja, außer einer hölzernen Bank gab es in diesem Zimmer gar keine Möbel.
Vielleicht hatte sie in dem zweiten Raum mehr Glück.
Noch ehe sie einen weiteren Schritt machen konnte, spürte sie plötzlich einen kalten, harten Druck an ihrem Hals. Yanna erstarrte.
„Seltsam. Ich habe gar keinen Besuch erwartet“, hauchte eine amüsierte Stimme an ihrem Ohr. Ein Arm schlang sich um ihre Schultern und presste sie mit dem Rücken gegen einen warmen Körper.
Yanna hörte Schritte und wurde von ihrem Angreifer herum gewirbelt. Ehliyan stand vor ihr, sein Schwert an ihrem Kopf vorbei auf den Hals des Fremden gerichtet.
Leises Lachen drang an Yannas Ohr. „Und jetzt?“, fragte die amüsierte Stimme.
„Du nimmst sofort den Dolch von ihrem Hals!“
Der Mann zögerte.
Yanna fixierte Ehliyan. Für sie war es offensichtlich, was er vorhatte. Er wollte den Angreifer davon überzeugen, dass er ihm sein Schwert in den Hals rammen würde, obwohl der andere seinen Dolch an Yannas Schlagader gepresst hielt. Spielte Ehliyan seine Rolle erfolgreich, würde der Angreifer es hoffentlich gar nicht so weit kommen lassen und aufgeben.
Das kühle Metall entfernte sich von Yannas Hals. Klirrend kam der Dolch auf dem Boden auf. Erleichtert atmete die junge Frau aus. Noch während sie unter dem Arm des Fremden und Ehliyans Klinge hindurch tauchte, zog sie ihr eigenes Schwert aus der Scheide. Sie wirbelte herum und richtete es auf den Mann. Er trug die schwarze Gardistenuniform und darüber einen kurzen, roten Umhang, der in Falten über seine Schultern bis zur Mitte des Rückens fiel. Der Umhang, der ihn als Taissin auszeichnete. „Shaquess?“, sprach sie ihre Vermutung aus und sah ihrem Angreifer zum ersten Mal ins Gesicht.
Der Mann antwortete nicht. Er starrte sie lediglich aus tiefgrünen Augen an, einen überraschten Ausdruck auf dem Gesicht.
„Er ist es“, beantwortete Ehliyan ihre Frage. „Aber warum ist er hier?“
Der Taissin schien sich wieder gefangen zu haben. „Ich wohne hier“, gab er trocken zurück.
Yanna musterte die harmonischen Gesichtszüge, die von sanften Wellen schwarzen Haares umrahmt wurden.
Ehliyan schnaubte ungeduldig. „Solltest du zu dieser Zeit nicht Dienst haben?“
„Nein“, antwortete Shaquess, den Blick zu keiner Zeit von Yanna abwendend.
„Warum starrst du sie so an?“
Die Lippen des Taissins formten sich zu einem bedeutungsschweren Lächeln. „Sie hat interessante Augen, findest du nicht, Ehliyan?“
Erschrocken starrte Yanna ihren Mit-Rebellen an. Natürlich! Wenn Ehliyan Shaquess kannte, beruhte das auf Gegenseitigkeit. Was jetzt? Der Taissin würde Rajatshas und Schelash berichten, dass Ehliyan, der ehemalige Gardistenanwärter, zu den Rebellen übergelaufen war. Dann würde er auf die Liste der Gesuchten gesetzt werden und wie Malyn die Hauptstadt nicht mehr betreten können.
„Was redest du für einen Unsinn?“ Ehliyan schien von der Aussicht, schon bald dem aktiven Rebellendienst nicht mehr nachgehen zu können, nicht im Mindesten beeindruckt zu sein.
„Wir müssen ihn mitnehmen“, flüsterte Yanna. „Er hat dich erkannt. Wir können nicht zulassen, dass er Schelash und Rajatshas davon erzählt.“
Shaquess’ Augen richteten sich zum ersten Mal auf den jungen Mann. Ein begeistertes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Ehliyan, Ehliyan“, tadelte er. „Das ist aber nicht nett.“
„Wovon redest du?“, fragte Yanna unwirsch.
„Das sollte dir dein Freund hier lieber selbst erklären.“
„Hör einfach nicht hin, Yanna. Er versucht nur, uns zu manipulieren und gegeneinander auszuspielen. Wir lassen uns von ihm die Liste geben, dann gehen wir.“
„Was ist los mit dir?“ Stirnrunzelnd musterte die junge Frau ihren Begleiter. „Du bist sonst immer dafür, Gefangene zu machen und er ist der
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