Götterbund (German Edition)
ihr einen kalten Schauer den Rücken hinunter. Sie musterte das vertraute jungenhafte Gesicht und die hellen Augen, die unter wirrem braunem Haar ernst zurück sahen.
„Ich weiß nicht, ob ich das könnte“, gab Yanna zu und ging weiter.
„Warum nicht? Sie ist eine grausame, selbstsüchtige Herrscherin, der ihr Volk völlig egal ist. Wieso bist du überhaupt bei den Rebellen, wenn du Schelash nicht loswerden willst?“
Yanna stöhnte gereizt auf. „Natürlich würde es mir nicht Leid tun, wenn Schelash sterben würde. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich selbst sie töten könnte. Außerdem weißt du doch gar nicht, ob Rajatshas überhaupt etwas ändern würde, wenn seine Mutter nicht mehr da wäre.“
„Natürlich weiß ich das. Rajatshas ist nicht wie Schelash. Er würde Fativas Volk seinen Wohlstand und seine Lebensfreude zurückbringen, wenn seine Mutter ihn nur lassen würde.“
„Ich wusste gar nicht, dass du Rajatshas so gut kennst. Hast du früher etwa auch näher mit ihm zu tun gehabt?“
„Natürlich nicht“, versetzte Ehliyan unwirsch. „Um zu wissen, dass er nicht wie seine Mutter ist, braucht man lediglich gesunden Menschenverstand.“
Sie verfielen abermals in Schweigen. Die weißen Häuser kamen näher. Yanna sehnte sich danach, den Auftrag hinter sich zu bringen und die Hauptstadt so schnell wie möglich zu verlassen. Solange sie sich zurück erinnern konnte, lebte sie schon in dem großen, alten Haus im Wald jenseits der Stadt. Wenn es nach ihr ginge, würde sie noch weiter wegziehen. Hinaus aufs Land, wo die Bauern Vieh züchteten und Gemüse anbauten.
„Es ist ungerecht, dass wir uns keine Sorgen um Nahrung und Kleidung machen müssen“, unterbrach Ehliyan ihre Gedanken.
„Fängst du schon wieder an?“
„Ich meine es ernst. Welches Recht haben wir, von der heimlichen Unterstützung einiger Adelsfamilien zu leben und uns damit ein angenehmes Leben zu machen?“
„Wir müssen essen und Kleidung kaufen, Ehliyan. Und jedes Mal, wenn wir die Hauptstadt betreten, riskieren wir, als Rebellen enttarnt und hingerichtet zu werden. Sei froh, dass es ein paar Adelsfamilien gibt, die Schelashs Regime ebenfalls nicht mehr wollen und uns finanziell unter die Arme greifen. Sonst gäbe es die Rebellen schon längst nicht mehr, weil wir genug damit zu tun hätten, für unseren eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. Und jetzt hör endlich auf, dich weiter in deine Schuldgefühle hineinzusteigern. Wir sind da.“
Ehliyan blieb stehen und musterte das riesige weiße Haus. Es bestand aus zwei Stockwerken, was selbst im Weißen Viertel eine Seltenheit war, und durch die schwarz gestrichene Eingangstür hätten drei Menschen zugleich gepasst.
„Verflucht!“, zischte Ehliyan plötzlich.
Erschrocken wirbelte Yanna herum.
Ehliyan grinste. „Wirklich schade: Kein Gardist weit und breit. Vielleicht haben wir mehr Glück, wenn wir wieder heraus kommen.“
Yanna versetzte dem jungen Mann einen Stoß. „Du hast mich zu Tode erschreckt! Stürm doch den Palast, wenn du so wild auf einen Kampf bist, aber lass mich da raus!“ Mit einem letzten bösen Blick auf Ehliyan schob sie vorsichtig die Eingangstür auf. „Komm schon. Wir sollten uns wirklich beeilen, bevor uns doch noch jemand bemerkt.“ Als der junge Mann sich nicht rührte, packte sie ihn am Arm und schob ihn mit ihrem ganzen Körpergewicht durch die Tür. Die Kühle im Inneren des Hauses ließ Yanna frösteln. Lautlos schloss sie die Eingangstür hinter sich.
„Ich fange hier unten mit der Suche an“, verkündete Ehliyan. „Geh du nach oben.“
Yanna nickte. Ihr Blick schweifte durch den hallenähnlichen Raum. In die rechte Außenwand war ein Kamin eingelassen und in der Mitte des Raumes stand ein Tisch aus dunklem Holz mit zwei dazu passenden Stühlen. Ein monströser Schrank verdeckte beinahe komplett die gegenüberliegende Wand. Ansonsten war der Raum leer. Die hellbraunen Bodendielen und die weißen Wände ließen den Raum noch größer wirken, als er war. Yanna schlang die Arme um sich selbst. Dieses Haus löste ein ungutes Gefühl bei ihr aus.
Ehliyan machte sich bereits am Schrank zu schaffen. Er öffnete ihn und durchwühlte rücksichtslos seinen Inhalt. Als er nicht fündig wurde, drehte er sich zu Yanna um. „Worauf wartest du? Soll ich die ganze Arbeit allein machen? Hier unten gibt es noch mindestens drei weitere Räume.“ Er deutete auf die Türen rechts von ihm.
Yanna versuchte, ihr beklemmendes Gefühl hinunter zu
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