Götterbund (German Edition)
passiert war, stellte das für Yanna das größte Rätsel dar. Ehliyan liebte seine Freiheit. Liebte es, für die Rebellen zu arbeiten und zu versuchen, Fativa positiv zu verändern. Er würde zugrunde gehen, wenn er das alles verlor und wie Malyn nur noch ein beratendes statt aktives Mitglied der Rebellen sein konnte.
„Natürlich mache ich mir Sorgen“, gab Ehliyan zu. „Aber ich glaube nicht, dass ich auf die Liste der Gesuchten gesetzt werde.“
„Warum nicht?“
„Shaquess wird dieses Geheimnis für sich behalten. Er wird Rajatshas und Schelash nichts von mir erzählen.“
„Er ist ein Taissin. Es ist seine Pflicht, dem König solche Dinge mitzuteilen.“
„Shaquess ist nicht in erster Linie Taissin, sondern einfach Shaquess. Er wird zuerst an sich denken. Und er schätzt es, gegen alles und jeden ein Druckmittel zur Hand zu haben. Mit diesem Wissen könnte er eines Tages versuchen, die Rebellen zu erpressen.“
Zweifelnd runzelte Yanna die Stirn.
Ehliyan legte ihr einen Arm um die Schulter und zog sie weiter. „Mach dir keine Sorgen. Wenn es so weit ist, werden wir schon eine Lösung finden.“
„Trotzdem sollten wir die Sache mit Malyn bereden.“
„Wie du meinst. Er kennt Shaquess schließlich auch und wird mir Recht geben.“
Sie hatten das große, alte Haus erreicht und blieben vor der Eingangstür stehen.
„Wir werden sehen“, sagte Yanna und öffnete die Tür. Der größte Raum des Hauses lag ruhig und dunkel vor ihnen.
„Was ist schief gelaufen?“
Erschrocken sog Yanna die Luft ein.
Auch Ehliyan neben ihr war zusammengezuckt. „Machst du das eigentlich absichtlich?“, wollte der junge Mann von Malyn wissen, der oben am Treppenabsatz stand. „Wenn ja, dann lass dir gesagt sein, dass das keine besonders liebevolle Art ist, mit seinen Mitmenschen umzugehen.“
Yanna grinste und legte ihren Umhang, sowie das Schwert an der Tür ab.
Malyn kam die Stufen hinunter. „Was ist schief gelaufen?“, fragte er abermals.
„Woher weißt du, dass etwas schief gelaufen ist?“, fragte Ehliyan, nachdem auch er sich seiner Waffe und seines Umhangs entledigt hatte.
„Nenne es ein Gefühl“, sagte Malyn mit unverhohlenem Spott in der Stimme. „Oder vielleicht ist es auch das Schuldbewusstsein auf euren Gesichtern. Also?“
Yanna ging zum Tisch und setzte sich. Ehliyan und Malyn folgten.
„Wir haben die Liste nicht“, nahm sie das Schlimmste vorweg.
Doch zu ihrer Überraschung winkte Malyn ab. „Was genau ist passiert?“
Yanna antwortete nicht. Zu überrascht war sie von Malyns Reaktion. Sie hatte Wut und Vorwürfe erwartet, weil sie es nicht geschafft hatten, die Liste der Gesuchten zu finden. Der Argwohn vom Morgen meldete sich zurück. Irgendetwas stimmte mit dem Ratsvorsitzenden nicht.
„Shaquess war zu Hause“, erklärte Ehliyan.
„Und dann?“
„Fragst du dich denn nicht, warum Shaquess zu Hause war?“, wollte Yanna wissen. Malyns Verhalten wurde immer absonderlicher.
„Natürlich“, behauptete der Ratsvorsitzende. „Aber diese Frage lässt sich momentan nicht klären. Ich werde mich deshalb mit Lyza in Verbindung setzen müssen. Und jetzt möchte ich hören, was geschehen ist, nachdem ihr entdeckt habt, dass Shaquess zu Hause war.“
Yanna begann zu berichten. Sie erzählte, wie sie selbst von dem Taissin überwältigt worden war, von Ehliyans Täuschung und wie er sich letztendlich von Shaquess so hatte provozieren lassen, dass es dem Taissin die Flucht ermöglicht hatte. Auch Ehliyan warf hin und wieder einen Kommentar ein. Allerdings hörten sich seine Erzählungen von Shaquess eher wie Beleidigungen an.
„Er trägt den Titel des obersten Taissin wirklich zu Recht“, schloss Yanna ihren Bericht.
Ehliyan schnaubte. „Woran machst du das fest? An seinem Manipulationsgeschick? Von seinen Kampfkünsten hast du schließlich gar nichts gesehen.“
Yanna zuckte mit den Achseln. „Obwohl wir zu zweit waren und er alleine, ist ihm die Flucht gelungen. Das macht ihn zumindest für mich zu einem begabten Gardisten. Egal, wie er es erreicht hat.“
Ehliyan verschränkte die Arme vor der Brust. „Er hatte dich in seiner Gewalt und alle Trümpfe in der Hand. Doch statt das auszunutzen, lässt er dich los, weil er mir glaubt, dass ich dich opfern würde.“
„Das war seltsam“, stimmte Yanna nachdenklich zu. „Deine Täuschung war nicht mal besonders gut.“
„Ich könnte mir vorstellen, dass ihm die Situation zu einfach vorkam“, kommentierte Malyn.
Weitere Kostenlose Bücher