Götterbund (German Edition)
zwei Schützlinge haben. Das hat es noch nie gegeben. Was ist mit Rajatshas?“
Der Gott lächelte. „Nur weil eine solche Situation noch nie da war, bedeutet das nicht, dass es unmöglich ist. Ich habe Rajatshas auserwählt und nun erwähle ich dieses Kind.“
„Aber sie ist das Kind eines Verräters!“.
„Wollt ihr euch dem Brauch widersetzen?“ Ruhig sah der Gott auf die Königin herab. „Wenn Ihr Euren Teil der Tradition nicht einhaltet, sind auch wir nicht mehr verpflichtet, den unseren einzuhalten.“
„Was meint ihr damit?“
„Der Götterbund wurde zum beidseitigen Nutzen Eurer Familie und uns Göttern eingeführt. Es steht in unserer Macht, den richtigen Schutzgott für ein jedes Kind auszuwählen, dafür begleiten wir es ein Leben lang und stehen ihm zur Seite. Versagt Ihr uns unsere Entscheidung, wird das Abkommen um den Götterbund hinfällig. In diesem Fall würden wir uns vollends aus Fativa zurückziehen.“
Schelashs Gedanken rasten. Einen Ausweg. Es musste irgendetwas geben, was sie tun konnte, um das hier zu verhindern. Doch als Casaquanns Blick immer drängender wurde, hielt sie dem Gott widerwillig ihre Nichte hin. Kaum hielt Casaquann das Kind in seinen Armen, hörte es auf zu schreien. Zärtlich lächelte der Gott auf das Neugeborene herab. „Ich habe entschieden, dass sie den Namen Dashamien tragen wird.“
Er drehte sich um und hob das Kind hoch über seinen Kopf.
Ungeduldig beobachtete Schelash, wie Casaquann mit Dashamien den Bund einging, ebenso wie er es vor drei Jahren mit Rajatshas getan hatte. Sie war sich nicht sicher, wie er es machte oder was dabei genau passierte. Doch sie wusste, dass ein Kind danach nicht mehr dasselbe war. Es war besser , in vielerlei Hinsicht.
Casaquann drehte sich zu Schelash um und hielt ihr den Säugling hin. „Es ist ein Jammer, dass Dashamiens Mutter nicht mehr am Leben ist. Das arme Kind.“
Die Königin nahm ihre Nichte. „Sie hat die Königsfamilie verraten, ebenso wie mein Bruder. Ich konnte sie nicht am Leben lassen. Doch ich werde mich um Dashamien kümmern.“ Ehrerbietig neigte sie den Kopf. „Bitte sagt mir, was der Bund zwischen Euch und Dashamien für meinen Sohn bedeutet.“
„Das wird sich zeigen. Es gibt Dinge, die können selbst wir Götter nicht vorhersehen.“
Schelash presste die Lippen zusammen. Irgendetwas ging hier vor, das war offensichtlich. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Casaquann ohne Grund entschieden hatte, der erste Gott in der Geschichte zu werden, der mit zwei Mitglieder der Königsfamilie zur gleichen Zeit den Bund einging. Nein, er hatte sich etwas dabei gedacht. Und Schelash würde herausfinden, was es war. Das schwor sie sich. Nach einer letzten, knappen Verneigung in Richtung des Gottes drehte sie sich um, half Rajatshas auf die Beine und verließ mit den beiden Kindern den Tempel.
Kapitel 1
25 Jahre später
Malyn stieg langsam die knarrenden Holzstufen hinauf und kam sich dabei vor wie auf dem Gang zum Schafott. Er wusste genau, warum Niquos diese Ratssitzung einberufen hatte. Und obwohl Malyn geahnt hatte, dass dieser Tag kommen würde, hatte er sich stets an die Hoffnung geklammert, dass Niquos bis dahin seine Meinung ändern würde.
Plötzlich spürte Malyn eine Hand auf seinem Arm. Er blieb auf der Treppe stehen und sah den alten Mann an, der unbemerkt zu ihm aufgeholt hatte.
„Du bist der Ratsvorsitzende“, sagte Thoran und lächelte, was die Falten um seine Mundwinkel noch tiefer erscheinen ließ. „Nicht Niquos.“
„Sag das nicht mir, sag es ihm. Er scheint es in sieben Jahren immer noch nicht verstanden zu haben.“
„Lass Niquos sich gegen die Rangordnung auflehnen, so viel er will. Sieh darüber hinweg in dem Wissen, dass die letzte Entscheidung bei dir liegt.“
Nachdenklich blickte Malyn in die hellen Augen. „Das ist wahr. Aber ich bin mir nicht sicher, wie lange ich noch Vorsitzender bleiben werde, sollte ich Niquos’ Plan übergehen. Mir scheint, er findet in letzter Zeit ungewöhnlich viel Zuspruch beim übrigen Rat.“ Er seufzte und setzte seinen Weg nach oben fort. „Manchmal wünschte ich, du hättest dieses Amt nie an mich abgetreten.“
Thoran antwortete nicht, doch Malyn wusste, dass der alte Mann einmal mehr dieses wissende Lächeln auf den Lippen hatte. Endlich oben angekommen, hielt Malyn einen Moment inne. Die Tür zu dem Raum, in dem der Rebellenrat in regelmäßigen Abständen seine Versammlungen abhielt, war geschlossen. Malyn
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