Götterbund (German Edition)
Seine Stimme klang gelangweilt, so als sei er es leid, über den Taissin zu spekulieren.
„Du denkst, er wollte sehen, ob er auch ohne Waffen gegen uns ankommt?“, fragte Ehliyan ungläubig.
Malyn nickte.
Eine unwahrscheinliche Vermutung. Das hätte Yanna zumindest gedacht, wenn es um irgendwen anders gegangen wäre. Doch Shaquess traute sie solch einen Gedankengang zu. „Da gibt es noch etwas. Shaquess hat Ehliyan erkannt.“ Sie beobachtete Malyn genau, doch der wirkte nicht einmal erstaunt.
„Das dachte ich mir schon“, sagte er nur.
„Machst du dir deswegen keine Sorgen?“, hakte Yanna nach.
Malyns Blick huschte kurz zu Ehliyan. „Nein.“
„Wieso nicht?“
„Weil er wie ich weiß, dass Shaquess mich nicht verraten wird“, ereiferte sich Ehliyan.
Der Ratsvorsitzende nickte. „Da hat er Recht.“
Yanna verstand nicht, wie die beiden eine solche Sache auf die leichte Schulter nehmen konnten. Was, wenn sie sich irrten? Was, wenn sie diesen Shaquess gar nicht so gut kannten, wie sie dachten?
„Mach dir keine Sorgen“, riet Malyn, wie es zuvor schon Ehliyan getan hatte. „Gibt es sonst noch etwas?“
„Shaquess hat Yanna so seltsam angesehen.“
Malyn fixierte Ehliyan. „Wie meinst du das?“
„Er hat sie vom ersten Moment an angestarrt. Hat irgendetwas davon gefaselt, dass sie besondere Augen hätte. Wahrscheinlich steht er auf sie. Oder er wollte mich provozieren. Jedenfalls war es eklig.“
Yanna musste lächeln. „Was hast du nur gegen Shaquess? Abgesehen davon, dass er ein Taissin ist, gibt es wirklich nichts an ihm auszusetzen.“
Ehliyan presste die Lippen aufeinander und starrte stur Malyn an, der die Stirn nachdenklich in Falten gelegt hatte. „Worüber denkst du nach?“, wollte er vom Ratsvorsitzenden wissen.
„Über gar nichts.“ Fahrig strich Malyn sich das widerspenstige, schwarze Haar aus dem Gesicht und stand auf. „Das mit der Liste ist kein Problem, wir werden sie anderweitig beschaffen.“ Damit wandte er sich der Treppe zu.
Ratlos sah Yanna dem Ratsvorsitzenden nach, wie er nach oben verschwand. „Was hat er nur?“, fragte sie mehr zu sich selbst, und nicht zum ersten Mal an diesem Tag.
„Was hast du ?“, schnaubte Ehliyan und stand ebenfalls auf. Anklagend richtete er den Finger auf Yanna. „Was ist mit dir los, dass du einen Taissin sympathisch findest?“
„Ich habe nicht gesagt, dass ich ihn sympathisch finde.“
„Glaubst du, mir ist nicht aufgefallen, wie du ihn angesehen hast?“ Ehliyans Stimme überschlug sich beinahe vor Empörung.
Yanna musste sich alle Mühe geben, um nicht laut loszulachen. Ehliyans Entrüstung war einfach zu komisch. Befürchtete er etwa ernsthaft, dass sie sich auf den ersten Blick unsterblich in diesen Shaquess verliebt hatte? „Ich finde ihn interessant“, gab Yanna zu.
„ Interessant? “, brüllte Ehliyan.
Yanna brach in Gelächter aus. „Ja, interessant. Aber nicht mehr. Du kannst dich also wieder beruhigen.“
„Dass du einen Taissin interessant findest, ist ja wohl Grund genug, sich aufzuregen!“
„Was ist denn hier schon wieder los?“, wollte Thoran wissen, der in diesem Moment am oberen Treppenabsatz erschienen war.
„Gar nichts“, maulte Ehliyan und stürmte aus dem Haus. Die Tür fiel mit einem lauten Krachen hinter ihm zu.
Thoran warf Yanna einen fragenden Blick zu. Die zuckte mit den Achseln. „Er macht mal wieder aus einem Krümelchen einen ganzen Marktstand voller Brotlaiber.“
Ihr Großvater hakte nicht weiter nach und zog sich in sein Zimmer im ersten Stock zurück.
Immer noch lächelnd stand Yanna auf und trat ans Fenster. Die Sonne stand noch hoch am Himmel und ließ die Blätter der umliegenden Bäume in einem saftigen Grün leuchten.
Yanna öffnete das Fenster, lehnte sich hinaus und spähte über die Lichtung, auf der ihr Haus erbaut worden war. Von Ehliyan keine Spur. Ob sie es übertrieben hatte? Schließlich wusste sie ganz genau, wie ernst Ehliyan das Ziel und die Aufgabe der Rebellen nahm. Und wie schlecht er auf die Königsfamilie und die Gardisten zu sprechen war. Außerdem schien er gegen diesen Shaquess einen besonderen Groll zu hegen.
Aber Ehliyan war selbst Schuld. Wenn man so gerne und oft andere provozierte wie er, sollte man auch selbst etwas einstecken können.
Plötzlich überkam Yanna eine Welle von Traurigkeit. Sie stützte die Hände auf dem Fenstersims ab und holte ein paar Mal tief Luft. Eine vertraute Leere machte sich in ihr breit, gegen die sich
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