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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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zu lesen war, doch zu seiner Erleichterung war Deirdre ganz seiner Meinung gewesen und hatte das Ding konfisziert.
    Nein, den Mann ihm gegenüber hatte er wirklich erst einmal gesehen auf jenem Schwarzweißfoto, das ihn neben West zeigte, ein wenig im Schatten, ein wenig zur Seite, einen Schritt zurück. Er konnte sich beim besten Willen nicht auf den militärischen Rang des anderen Mannes besinnen. Aber nun war er sich sicher, dass die Sache mit dem vertauschten Handy nicht das Werk des Sicherheitsdienstes von Livion gewesen war.
    »LaHaye«, sagte der Mann knapp, »wir befinden uns im Krieg. Da stimmen Sie mir doch zu, oder?«
    »Ja, Sir. Vollkommen, Sir. Wir befinden uns im Krieg. So hat es der Präsident gesagt.«
    »Ein Krieg, bei dem der Feind sich überall und nirgends aufhält, sogar in unserem eigenen Land.«
    »Ja, Sir.«
    Sein Gegenüber musterte ihn misstrauisch, doch Neil hatte sein Pokergesicht aufgesetzt.
    »Und da wir uns im Krieg befinden, haben wir doch ein legitimes Interesse, unsere nationalen Interessen zu schützen, nicht wahr?«
    »Sehe ich auch so, Sir. Nur verstehe ich nicht, was meine Ausflüge quer durch Alaska und mein völlig offenes und in keiner Weise verstecktes Aufkreuzen vor dem Eingangstor zum Gelände eines Labors einer privaten Firma mit der nationalen Sicherheit zu tun haben sollen.«
    »Verkaufen Sie mich nicht für dumm, LaHaye.«
    »Würde mir nie einfallen, Sir.«
    Die Finger des Mannes begannen erneut zu trommeln.
    »Sie sind eine rote Nervensäge, aber ich will Ihnen mal zugute halten, dass Sie Ihr Land lieben, auch wenn Sie eine etwas seltsame Auffassung von Patriotismus haben. Wir machen uns auch Sorgen, LaHaye. Was genau da vor sich geht, bei Livion. Gibt es da etwas, das wir wissen sollten?«
    Für wie dumm hältst du mich eigentlich?, dachte Neil. Offenbar für dumm genug, dem netten Onkel sein Herz auszuschütten, von den verdeckten Operationen zu erzählen und sich und Beatrice damit die Schlinge um den Hals zu legen.
    »Dieser Dr. Mears ist etwas… übereifrig, wie?«
    »Kann ich nicht sagen«, erwiderte Neil ausdruckslos. »Ich habe ihn nur einmal persönlich gesehen, und da wollte er mich so schnell wie möglich loswerden. Wenn ich an ›übereifrig‹ denke, fällt mir nur mein Agent ein. Der arme Kerl wartet schon seit Wochen auf sein Manuskript und seinen Autor, und ich könnte mir vorstellen, dass er dabei ist, mich zum nächsten Ambrose Bierce zu erklären«, schloss er in Anspielung auf den im mexikanischen Unabhängigkeitskrieg unter mysteriösen Umständen verschwundenen Autor.
    Wests Adjutant schnaubte. »Ich habe Ihr Zeug gelesen, LaHaye. Sie sind so wenig Ambrose Bierce wie ich Norman Schwarzkopf.«
    »Wenn Sie es sagen, Sir.«
     
    »Weißt du eigentlich, was du für ein Glück gehabt hast?«, fragte Matt, während sie im Flugzeug nebeneinander saßen. Neben seiner gepflegten großstädtischen Erscheinung gab Neil mit seinem Mehrtage-Bart und der alten Jeans ein seltsames Bild ab.
    »Die hätten dich Monate festhalten können, ohne überhaupt jemanden zu benachrichtigen. Normalerweise lässt man Terrorismusverdächtige nur den Bundesstaat verlassen, in dem sie gefasst wurden, um sie in größere Gefängnisse zu bringen.«
    »Es ist eine Farce«, antwortete Neil stur, »und das wissen die genauso wie ich. Nach Kuba und zu den Taliban bin ich seinerzeit auf Einladung des Staates gekommen. So viel zu meinen terroristischen Kontakten. Außerdem, wenn ich länger verschwunden wäre, dann hätte es Fragen gegeben, von dir und anderen. Sie wollten schließlich keinen Märtyrer aus mir machen.«
    Er wusste selbst nicht, warum er Matt nicht gleich von seinem Verdacht hinsichtlich der Identität seines Verhörers erzählte oder dem dreitägigen Anschlussprogramm, das nach allen Regeln eines Psychoduells geführt worden war. Selbst Matt, der mit den Jahren immer zurückhaltender gewordene Matt, wäre nicht mehr bereit, das als Zufall zu akzeptieren, doch Neil wurde den Verdacht nicht los, dass sie immer noch beobachtet wurden. Als ihm schließlich sein Anruf gestattet worden war, hatte er nach langem Überlegen nicht wieder riskieren wollen, auf Deirdres Empfangsdame oder ihren Anrufbeantworter zu stoßen. Matt war unter den gegebenen Umständen die bessere Wahl.
    Man hatte ihn und Matt mit einer Polizeieskorte bis zum Flugzeug gebracht. Durch eine einstweilige Verfügung war es ihm verboten, den Staat Alaska wieder zu betreten. Was dem brodelnden Gemisch aus

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