Götterdämmerung
empört.
»Tess hat bestätigt, dass du dich heimlich mit ihm getroffen hast, mehrfach, was bedeutet, dass du in dieser Angelegenheit unehrlich zu mir warst. Also: Wem soll ich glauben?«
»Mears hat mich bewusstlos gemacht«, sagte sie erbittert, und er zuckte zusammen. Dann verhärtete sich sein Gesicht wieder.
»Wie dem auch sei. Du wirst LaHaye nicht wiedersehen. Bea, es tut mir Leid, auch wenn du etwas für ihn empfindest, aber er benutzt dich.«
»Im Gegensatz zu dir«, entgegnete sie und setzte sich auf. Ihr Kopf schmerzte immer noch ein wenig. »Und Warren.«
Diesmal kroch protestierende Reue in die Stimme ihres Vaters.
»Sag so etwas nicht. Du bist meine Tochter. Ich liebe dich. Und ich werde nicht zulassen, dass Warren je auch nur den kleinen Finger an dich legt.«
Das erschien ihr so unfreiwillig komisch, dass sie den Kopf zurücklegte und lachte. Das Lachen tat weh und schien ihre Kehle aufzureißen. Sie verstummte und goss noch etwas Wasser in ihr Glas. Während sie es wortlos leerte, sagte ihr Vater in der bedächtigen Weise, in der er für gewöhnlich Experimente erklärte:
»Ich hätte dich nicht allein lassen sollen, aber ich musste nach Miami. Es… war schwierig. Diese Klippe ist nun umschifft. Bea, du weißt nicht, wie gefährlich das alles ist.«
»Dann erkläre es mir endlich«, sagte sie hart. »Schluss mit den Umschreibungen. Erklär es mir. Ich habe ein Anrecht darauf. Und fang beim Anfang an. Meinem Anfang.«
Er stand auf, doch er machte keine Anstalten zu gehen. »Ich werde dir alles erklären«, entgegnete er, »wenn du mir deinerseits ein Versprechen gibst.«
»Was für ein Versprechen?«
»Keine Kontakte mit LaHaye mehr.«
Die Forderung schlug ihre Klauen in sie, setzte sich fest.
»Erkläre es mir zuerst«, stieß sie schließlich hervor. »Dann entscheide ich, ob ich dir noch einmal etwas verspreche.«
* * *
Neil hatte das Gefühl, in einem schlechten Film zu sitzen und darauf zu warten, dass demnächst das Licht wieder anging. Er hatte auf dem Weg nach Anchorage das Drehbuch befolgt und nach einem Anwalt verlangt, nur um die Auskunft zu erhalten, dass noch keine vierundzwanzig Stunden vergangen wären, und im Übrigen mit der neuen Gesetzgebung Terrorismusverdächtige unbefristet lang und ohne Rechtsbeistand festgehalten werden durften. Ob die Polizisten ihn tatsächlich für einen Verdächtigen hielten oder nur mitspielten, weil Livion dahinter stand, war ohne Bedeutung. Bis zur Ankunft in Anchorage sprachen sie ohnehin kein Wort, abgesehen von der Auskunft wegen eines Anwalts.
Er wusste nicht, wie ernst Mears der Bluff mit der Spionage und dem Terrorismus war, aber bei der Vorstellung, Beatrice könnte als seine Kontaktperson ebenfalls verhaftet werden, wurde ihm übel. Das Schlimmste war, dass man Beatrice tatsächlich vorwerfen konnte, vertrauliche Informationen über den Konzern weitergegeben zu haben. Wenn man sie direkt danach fragte… wurden Lügendetektoren überhaupt noch eingesetzt?
Nicht in Kuba, dachte er und verwünschte sein Gedächtnis, das ihn an ein paar Details aus seinen Interviews mit den wenigen entlassenen Gefangenen von Guantánamo erinnerte. Das konnte er jetzt nicht brauchen.
Wenn man ihm endlich seinen Anruf gestattete, würde er mit Deirdre telefonieren. Er hatte vom Glacier Bay Country Inn aus versucht sie anzurufen. Da ihre Durchwahl auf Umleitung geschaltet war, scheiterte er an einer der Vorzimmerdamen, die ihm mitteilte, Ms. Jordan sei beim Senator in einer Sitzung. In gewissem Sinn eine Erleichterung. Natürlich war er sich die ganze Zeit sicher gewesen, dass die Drohung nie mehr als Worte sein würde, aber wenn Deirdre im Büro war, dann ging es den Kindern gut. So betrachtet, war sogar diese lächerliche Verhaftung eine Beruhigung. Sie hatten erkannt, dass er auf ihren Bluff nicht einging, und drohten nicht mehr seiner Familie, sondern ihm.
Zum Terrorismusverdacht kam in Anchorage noch eine Anklage wegen illegalen Betretens eines Naturschutzgebiets. Ihm lagen einige scharfe Worte auf der Zunge, aber er verzichtete darauf, eine alte Folge von Miami Vice in diesen nördlichen Regionen nachzuspielen. Stattdessen zuckte er mit den Achseln und verlangte stur erneut nach einem Anwalt; wenigstens ein Telefon sollte man ihm geben.
Sich nackt ausziehen und die gesamte Prozedur mit den Fingerabdrücken hinter sich bringen zu müssen, hatte das Gefühl der Unwirklichkeit eher noch erhöht. Seine Einzelzelle ließ sich vielleicht
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