Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)
zu den vorgeschriebenen Zeiten ein und versuchen zu schlafen, wenn das Licht in den Kabinen erloschen ist. Doch sie finden keine Ruhe, und ihre Träume sind schwer. In der Dunkelheit verschwimmen die Grenzen zwischen drinnen und draußen. Sie treiben allein durch die Nacht, und es gibt Momente, in denen sie den Glauben an ein Morgen verlieren.
Noch vermögen sie dem schleichenden Gift der Lethargie zu widerstehen, doch sie spüren, wie ihre Kräfte schwinden.
Wie lange noch?
Die Frage bleibt unausgesprochen. Wer sollte, wer könnte sie auch beantworten?
Als es an der Kabinentür klopfte, sah Raymond Farr überrascht auf. Er rechnete nicht mit Besuch, schon gar nicht zu so später Stunde. Es war zwar erst kurz nach elf, der Kommandant konnte sich jedoch vorstellen, dass nicht wenige der Besatzungsmitglieder bereits schliefen.
Er selbst ging allerdings kaum vor Mitternacht ins Bett. Meistens unterhielt er sich nach dem Abendessen noch ein wenig mit Vera, wobei »unterhalten« nicht ganz der richtige Begriff war, denn die Themen, die sie diskutierten, waren durchaus ernsthafter Natur. Farr mochte Vera, obwohl er natürlich wusste, dass sie ebenso wenig menschlich war wie ein Rasierapparat. Dennoch fiel es ihm zunehmend schwerer, die KI als das zu betrachten, was sie war: eine Maschine …
Das war im Moment jedoch zweitrangig. Jemand war an der Tür, und Farr musste reagieren.
»Einen Moment bitte!«, rief er und quälte sich missmutig aus seinem Sessel. Ich hoffe nur, es ist wichtig.
»Pater Markus«, murmelte er überrascht, nachdem er die Tür einen Spaltbreit geöffnet hatte. »Was verschafft mir die Ehre?«
»Keinen Sarkasmus bitte, Commander«, erwiderte der Ordensmann lächelnd. »Ich komme in Frieden. Darf ich eintreten?«
»Aber natürlich, Pater«, versicherte der Kommandant eilig. »Ich bitte sogar darum.«
Das klang zwar wie eine Floskel, war jedoch keine. Er freute sich tatsächlich über den unverhofften Besuch, auch wenn er ihn an eigene Versäumnisse erinnerte. Er hätte längst mit Pater Markus reden müssen.
»Immer herein.« Er nötigte seinem Gast die einzig komfortable Sitzgelegenheit auf – ebenjenen Sessel, in dem er bis eben seinen Gedanken nachgehangen hatte – und nahm selbst auf dem verbliebenen Hocker Platz.
»Ich hoffe, Sie sehen mir den nächtlichen Überfall nach«, entschuldigte sich der junge Pater gewohnt höflich. »Ich dachte jedoch, es sei an der Zeit, ein paar Missverständnisse aus der Welt zu schaffen.«
»Missverständnisse?«, erkundigte sich Farr erstaunt. »Was meinen Sie damit?«
»Dann muss ich mich vielleicht korrigieren, Commander.« Der Ordensmann lächelte verlegen. »Klarstellung ist vielleicht der treffendere Begriff, denn inzwischen sind mir tatsächlich ein paar Dinge klar geworden. Sie wissen ja, dass es mir eine Zeit lang nicht besonders gut ging.«
»Allerdings.« Der Kommandant senkte verlegen den Blick und suchte nach Worten. »Ich habe oft an unser Gespräch von damals gedacht. Aber ich wusste, ehrlich gesagt, nicht, was ich hätte tun können …«
»Sie haben genau das Richtige getan, Commander. Alles, was ich brauchte, war Zeit, und davon haben wir im Moment ja mehr als genug.«
»Höre ich da eine Spur Sarkasmus heraus?«
»Ganz im Gegenteil«, wehrte der Pater ab und wurde sogar ein wenig rot dabei. »Ich weiß, dass der Sturz durch diesen Tunnel und der Ausfall der Instrumente einige von uns beunruhigt. Das ging mir übrigens genauso. Aber jetzt bin ich frei.«
»Inwiefern?« Farr runzelte die Stirn. »Ich fühle mich eher ausgeliefert. Unser Schiff fliegt, schwebt oder stürzt steuerlos irgendwohin, und wir können absolut nichts unternehmen.«
»Außer zu vertrauen …«
Wem?, wollte der Kommandant fragen, aber das wäre einem Ordensbruder gegenüber unpassend gewesen. »Also haben Sie Ihren Glauben wiedergefunden?«, erkundigte er sich stattdessen.
»Das auch, aber in erster Linie meinen inneren Frieden. Davon wollte ich Ihnen erzählen, falls ich Sie damit nicht langweile.«
»Nur zu, Pater«, erwiderte Farr mit einem melancholischen Lächeln. »Es gibt nichts, wovon Sie mich abhalten würden. Und ein wenig Aufmunterung können wir wohl alle brauchen.«
»Nun, ob meine Geschichte zur Aufmunterung taugt, müssen Sie selbst beurteilen, Commander. Sie haben bei unserem letzten Gespräch nicht weitergefragt, und das war gut so. Ich hätte mir damals wohl lieber die Zunge abgebissen, als Ihnen von Elena zu
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