Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)
Kommandant mit einem melancholischen Lächeln. Man trifft sich immer zweimal.
Dann wurde es schlagartig dunkel – und still.
Es war eine Stille der besonderen Art. Anders als die Dunkelheit, die sich nicht von der in einem beliebigen lichtlosen Raum unterschied, war die absolute Lautlosigkeit während des Transfers ein ebenso irritierendes wie einzigartiges Phänomen. Es umfasste nicht nur äußere akustische Reize, sondern auch jeglichen Körperschall: Atem, Herzschlag oder das Rauschen des Blutes, deren Geräusch üblicherweise gar nicht bewusst wahrgenommen wurde. Dennoch gab sein Fehlen dem Begriff »Stille« eine völlig andere Dimension.
Die Trommelfelle bogen sich förmlich nach außen in ihrem Bemühen, wenigstens irgendein Geräusch aufzunehmen, und der mit der absoluten Lautlosigkeit einhergehende Verlust an Körpergefühl provozierte bei anfälligen Reisenden gelegentlich sogar Panikattacken bis hin zu Selbstverletzungen. In der zivilen Raumfahrt verabreichte man den Passagieren deshalb vor jedem Raumsprung hochdosierte Tranquilizercocktails, während das Militär auf autogene Techniken und Trainingseinheiten in schalltoten Räumen setzte.
Wenn man jedoch der Versuchung widerstand, sich gegen die vermeintliche Leere aufzulehnen, konnte der Aufenthalt im N-Raum durchaus entspannend sein. Und so vertraute sich Raymond Farr bereitwillig der dunklen Stille an, in der er sanft dahintrieb wie ein steuerloses Boot in nachtschwarzer See. Das Fehlen körperlicher Wahrnehmungen beunruhigte ihn ebenso wenig wie das verlorene Zeitgefühl. Seine Existenz hatte sich auf das Wesentliche reduziert: Gedanken, Emotionen, Erinnerungen. Nichts anderes war wichtig. Selbst die Vorstellung, sein Körper könnte sich auflösen, jetzt, da er ihn nicht mehr spüren konnte, löste keinerlei Furcht oder Bedauern in ihm aus. Er würde ihn nicht vermissen.
Dennoch war sein Zustand kein träges, halb unbewusstes Dahindämmern zwischen Traum und Erwachen; seine Gedanken waren im Gegenteil von seltener Klarheit. Er erkannte, wie widersprüchlich seine Motive waren und welche Unwägbarkeiten dem Erfolg der Mission entgegenstanden. Das änderte nichts an seiner Entschlossenheit, aber allein das Fehlen jeglicher Ablenkung und die offene Sicht auf bislang verdrängte Risiken führten dazu, dass er sich der Schwachstellen seiner Planungen bewusst wurde. Die geringe Feuerkraft der Hemera war nur eine davon …
Ein Lichtblitz durchzuckte Farrs Bewusstsein, und er kniff instinktiv die Lider zusammen, um sich vor der Helligkeit zu schützen. Es half wenig gegen die Flut aus Farben und Geräuschen, die nun von allen Seiten über ihn hereinbrach. Das Phänomen war ihm durchaus vertraut, dennoch verkrampfte sich sein Körper unwillkürlich unter dem Ansturm der Wahrnehmungen. Farr wünschte sich zurück in die stille Dunkelheit des »Nicht-Raum« genannten Niemandslandes, doch der Zugang blieb ihm verwehrt. Sekunden später öffnete er blinzelnd die Augen und registrierte mit einer Spur Erleichterung die vertraute Umgebung. Vorsichtig bewegte er Finger und Zehen, um sich zu vergewissern, dass er seinen Körper wieder kontrollieren konnte. Erst danach richtete er sich auf, um einen Blick auf die Instrumente zu werfen.
Viel war nicht zu erkennen, aber das wenige genügte, um ihm zu bestätigen, dass Iron Gate hinter ihnen lag. Die Verschiebung der Sternbilder war offenkundig, wenn auch aufgrund der unterschiedlichen Entfernung mehr oder weniger stark ausgeprägt. 210 Lichtjahre waren aus astronomischer Sicht nicht viel mehr als Katzensprung, dennoch war es für Farr ein erster Schritt, der ihn näher zu Miriam brachte …
»Commander?« Es war der kleine Navigator, und etwas im Klang seiner Stimme ließ Farr aufhorchen.
»Ja, Mr. Fisher?«
»Ich kann mich täuschen, aber es sieht so aus, als bekämen wir demnächst Besuch.«
Besuch von wem? , fragte sich der Kommandant, während er sich vergeblich bemühte, in der sternübersäten Weite etwas Ungewöhnliches auszumachen.
»Wie kommen Sie darauf, Navigator?«
Anstelle einer Antwort erschien eine quadratische Markierung auf dem Zentralmonitor, gefolgt von einer Zoomaufnahme des Gebietes. Es umfasste ein knappes Dutzend Sterne unterschiedlicher Helligkeit, und noch immer fiel Farr nichts Besonderes auf.
»In der zeitlich versetzten Darstellung wird es klarer, Commander«, erklärte der kleine Mann und machte sich erneut an der Konsole zu schaffen. Auf dem Monitor erschien ein zweites
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