Götterdämmerung (German Edition)
im Moment“, fügte er hinzu. Ben glaubte, ein leichtes Bedauern herauszuhören.
„Meinetwegen“, seufzte Max. „Dann eben die Assistentin.“ Sein Stock geriet ins Rutschen und er fing ihn mit einer geschickten Bewegung ab.
Es vergingen nur ein paar Minuten, bis die Frau, von der der Wachmann gesprochen hatte, erschien. Ben erkannte sie sofort. Sie trug einen eleganten blauen Hosenanzug und eine Hochsteckfrisur, aus der sich ein paar Strähnen gelöst hatten. Ben sah sie jedoch in einem weißen Kittel vor sich, die Haare schulterlang und offen, um die Augen ein nervöses Zucken. Das war damals. Als sie bei dem Experiment assistiert hatte.
Er presste seine Hände gegen die Stirn. Alles war jetzt da. Das letzte fehlende Stück Erinnerung freigelegt.
„Guten Tag“, begann die Frau. „Ich bin Nadja –“
„Bergmann“, fiel Ben ihr ins Wort. Er ließ die Hände sinken. „Ich weiß.“
Nennen Sie mich einfach Nadja, das ist nicht so unpersönlich. Wir sind hier wie eine kleine Familie. Kai – ich darf Sie doch Kai nennen? Entspannen Sie sich!
Nadja, die bisher Max angeschaut hatte, richtete ihren Blick nun auf Ben und hob die Augenbrauen.
„Ben Maiwald“, sagte er. Nadja betrachtete ihn fragend, als wartete sie auf weitere Informationen. Ben bemerkte jedoch, dass sie hinter ihrem zweifelnden Blick krampfhaft versuchte, ihn irgendwo einzusortieren.
„Vielleicht sagt Ihnen der Name Kai Drechsler etwas?“, fuhr er fort, obwohl er die Antwort schon kannte. Dass Max ihn aufmerksam beobachtete, nahm er nicht mehr wahr. Er hatte nur noch Augen für Nadja.
Die Frau war blass geworden. „Natürlich“, erwiderte sie. „Aber ich darf Ihnen keine Auskünfte geben. Es sei denn, Sie sind direkt mit ihm verwandt.“
Ben winkte ab. „Vielleicht können wir uns irgendwo ungestört unterhalten“, schlug er vor und beugte sich vor, sodass er die Wachleute im Blick hatte. Sie standen weiterhin an ihrem Platz und rührten sich kaum. Er konnte jedoch davon ausgehen, dass sie das Gespräch verfolgten. Ben wusste nicht, ob das eine Rolle spielte, aber er mochte die Sicherheitsleute nicht. Kai mochte sie ebenso wenig.
„Ich weiß sowieso alles“, sagte er leise. Er war jetzt Kai und er sprach mit Kais Worten. „Über das Experiment“, fügte er hinzu.
„Welches Experiment?“, brachte Nadja hervor. „Es gibt kein Experiment.“
Kai lächelte spöttisch. „Oh, aber es gab eins. Sind die Transfergeräte immer noch so schrecklich laut? Wenn ich an diesen Lärm bloß denke, bekomme ich schon Ohrenschmerzen.“ Er machte eine Pause. „22. April 2033.“, sagte er. „Das war ich.“
Nadja schüttelte ungläubig den Kopf. Sie sah jetzt nicht mehr blass, sondern kreidebleich aus. Aber ihr Blick war nicht mehr fragend.
„Das hätte nicht passieren dürfen“, murmelte sie. Hilfesuchend sah sie sich um. Es wirkte wie eine Geste, mit der sie Zeit gewinnen wollte.
„In Ordnung“, meinte sie schließlich. Zumindest dem äußeren Anschein nach hatte sie sich wieder gefasst. „Kommen Sie in mein Büro! Dort sind wir ungestört.“ Sie wandte sich an Max. „Möchten sie vielleicht einen Kaffee? Es gibt ein Bistro und in der Lounge stehen Automaten.“
Max winkte ab. „Noch ein Kaffee und mein Blutdruck steigt wie eine Rakete zum Mond. Außerdem habe ich doch nette Gesellschaft hier“, meinte er mit einem Seitenblick auf die Wachleute. Er bedeutete Ben, dass er gehen solle.
„Tu mir bloß den Gefallen und sag Bescheid, wenn du fertig bist, Junge!“, brummte er. „Der bringt es fertig und lässt mich hier sitzen.“
Ben versprach es.
•
Tom II erreichte die Tür im letzten Moment, bevor sie sich schloss. Mit einer hastigen Bewegung fasste er den Türknauf und schlüpfte durch die Öffnung. Er befürchtete, dass die Frau, bei der es sich um Eisenbergs Assistentin handelte, ihn gehört haben könnte und rannte den Flur entlang, vorbei an den Laborräumen mit den Transfergeräten, bis er an eine weitere Tür gelangte. Es gab keinen Hinweis, wohin sie führte. Die Tür ließ sich problemlos öffnen.
Vor Tom lag ein schmaler Gang. Die notdürftige Beleuchtung hatte sich automatisch eingeschaltet. Was nun? Er musste dem Gang folgen, auch wenn er nicht wusste, wohin er führte. Eigentlich war es sogar ein gutes Zeichen, dass er nicht ausgeschildert war.
Wenn du nicht willst, dass jemand deinen Schatz findet, dann zeichne keine Schatzkarte, dachte er. Und wenn er nichts finden würde, könnte er
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