Götterdämmerung (German Edition)
zerbrechlich, so dünn und klein wie sie an der Wand lehnte.
„Nadja Bergmann“, stellte sich die Frau vor. „Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Wo finde ich Doktor Eisenberg?“
„Sie können im Moment nicht zu ihm. Er ist beschäftigt“, wehrte Nadja ab.
„Ich kann warten“, beharrte Eva.
„Es dauert mehrere Stunden.“
„Das macht nichts.“
Nadja rollte mit den Augen. „Also schön.“ Sie wandte sich an den Wachmann. „Sie können gehen.“
Der Wachmann grüßte und lief zurück zum Fahrstuhl.
„Was wollen Sie von Doktor Eisenberg?“, fragte Nadja.
„Sagt Ihnen der Name Kai Drechsler etwas?“, fragte Eva.
Die Frau an der Wand streckte den Rücken durch und verschränkte die Hände vor dem Bauch. „Warum?“, fragte sie abwehrend. „Was ist mit ihm?“
Eva lächelte. Diese Frau wusste etwas, das spürte sie. „Das war mein Mann. Ich möchte wissen, was hier mit ihm passiert ist.“
„Woher haben Sie erfahren, dass er hier ist?“, fragte Nadja gepresst.
Aus Evas Gesicht verschwand das Lächeln. „Was sagen Sie da? Er ist hier? Wieso? Wie kann er hier sein? Ich möchte ihn sehen.“
„Das geht nicht. Tut mir leid.“
„Warum geht das nicht?“, rief sie aufbrausend. „Sie haben doch eben gesagt, dass er hier ist.“ Sie trat einen Schritt näher an Nadja heran und beugte sich zu ihr herunter. „Was ist hier eigentlich los? “, fragte sie mit rauer Stimme. „Zwölf Jahre lang habe ich geglaubt, Kai sei tot. An Kreislaufversagen gestorben und begraben. Und dann tauchen diese Irren vor meinem Haus auf und behaupten, Kai zu sein. Und Sie sagen, er wäre hier. Hier!“ Ihre Stimme wurde lauter, bis sie fast schrie. „Ich dachte, Kai sei tot! Wissen Sie was das heißt? Das bedeutet, dass ich mit ihm abgeschlossen hatte. Dass ich jedes Jahr zu seinem Grab –“
„Was für Irre meinen Sie?“, unterbrach Nadja sie. „Wie viele waren es?“
Eva schnappte nach Luft. Ihr Gesicht war rot angelaufen. „Was weiß ich. Vielleicht zwanzig. Was spielt das denn für eine Rolle?“
„So viele?“
„Wieso –“
„Schon gut.“ Die Frau winkte ab. „Im Moment spielen wohl alle verrückt“, murmelte sie. „Hören Sie, ich habe nicht gesagt, dass Ihr Mann noch am Leben ist“, wandte sie sich erneut an Eva.
„Aber er ist hier? Wieso ist er hier? Und wer liegt dann in seinem Grab?“
„Er war mit allem einverstanden“, murmelte die Wissenschaftlerin entschuldigend. „Er hat es so gewollt. Er hat sogar einen Vertrag unterschrieben.“
„Ihr Vertrag interessiert mich nicht“, erwiderte Eva kalt. „Ich will bloß wissen, was mit ihm passiert ist. Am besten bringen Sie mich endlich zu diesem Eisenberg!“
„Das geht nicht.“ Der Blick der Frau glitt unsicher zu einer der Türen schräg gegenüber.
Eva stöhnte. „Wenn Sie mir nicht weiterhelfen wollen, muss ich das eben selbst tun“, sagte sie und lief zu der Tür, die Nadja angesehen hatte. Die versuchte, sie aufzuhalten, aber Eva stieß den Arm, der sich nach ihr ausstreckte, beiseite. Nadja rannte hinter ihr her.
„Sie können da nicht rein!“, rief sie. „Der Raum ist besetzt. Warten Sie! Sie dürfen den Prozess nicht stören!“
Eva hielt an und drehte sich auf dem Absatz um. „Mir ist egal, was ich darf oder nicht“, zischte sie. „Ich gehe hier nicht weg, bevor ich nicht ein paar Antworten bekommen habe. Und jetzt möchte ich diesen Eisenberg sehen.“
Nadja seufzte. „Na schön. Sie können ihn sehen, sobald er aufgewacht ist. Bis dahin gehen wir in mein Büro. Ich werde Ihre Fragen beantworten.“
„Eisenberg schläft ?“, fragte Eva gedehnt.
„Ich erkläre Ihnen alles, wenn wir oben sind.“ Nadja fasste Eva am Ellbogen und führte sie zurück zu der breiten Metalltür, die in die Tiefgarage mündete. Eva staunte über den festen Griff dieser dünnen Hand. Die Tür war noch etwa zehn Meter entfernt. In diesem Moment ertönte ein dumpfes Krachen. Der Boden schwankte. Von den Wänden rieselte Putz.
Die beiden Frauen blieben stehen.
„Was ist das?“ rief Eva. Wieder krachte es. Nadja krallte ihre Hand noch fester in Evas Arm und riss sie zurück. Geistesgegenwärtig stieß sie die nächstbeste Tür auf und ließ sich im Türrahmen auf den Boden fallen. Hinter ihnen stürzten Gegenstände zu Boden. Glas splitterte.
„Runter!“, schrie Nadja und zerrte Eva mit sich nach unten. Eva legte ihre Arme schützend um den Kopf, aber das Krachen hatte aufgehört.
„Was war das denn?“, fragte sie
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