Götterdämmerung (German Edition)
staubig, aber sie hatte genauso blass ausgesehen und ihre Augen genauso traurig.
Ich hoffe, es ging dir besser in den letzten Jahren , dachte er mit Kais Stimme. Aber er glaubte nicht daran.
„Wie lange willst du noch hier stehen?“, fragte Max und setzte sich in Bewegung. „Komm endlich!“
„Ich würde mir gern noch einmal mein altes Haus ansehen“, sagte Ben, der hinter Max herlief.
„Die Villa?“
Ben überlegte. Vielleicht könnte er etwas Brauchbares in der Villa finden. Vielleicht würde der Besuch auch nur seine seelischen Wunden weiter aufreißen.
„Später“, sagte er. „Ich meine das andere Haus. Das von Kai Drechsler.“
„Was willst du dort?“, knurrte Max.
„Ich will mir ansehen, wie sehr es sich in der Zwischenzeit verändert hat. Und ich will wissen, ob es Eva und Daniel gut ging in den letzten Jahren.“
„Nein!“, sagte Max streng. „Wir verlassen die Stadt und fahren zurück. Du hast alles erfahren, was du wissen musst. Kais Haus geht dich nichts an. Du bist Ben, verstanden?“
Ben nickte. Kai schüttelte den Kopf. Aber er gehorchte und stieg in den Wagen.
•
Franco hielt den Atem an, als der Androide und der alte Mann an ihm vorbeiliefen, aber die beiden schenkten ihm kaum mehr als einen flüchtigen Blick, dem er mit so gleichgültiger Miene wie nur möglich auswich. Er wartete, bis sie sich ein paar Meter von ihm entfernt hatten und setzte sich dann in Bewegung.
Am Straßenrand parkte sein winziger kugelförmiger Doppelsitzer. Franco stieg ein, verdunkelte die Scheiben und startete den Elektromotor. Er folgte den beiden unbemerkt und beobachtete, wie sie in einer Seitenstraße in ein auffälliges gelbes Sportcoupé stiegen.
Langsam fuhr er an dem Wagen vorbei, bog in eine Einfahrt ab und wartete, bis das Fahrzeug losfuhr.
Nur nicht nervös werden , ermahnte er sich. Und nicht unvorsichtig!
Noch hatte er das Spiel nicht gewonnen.
Das Sportcoupé bewegte sich Richtung Hauptstraße. Franco ordnete sich ein gutes Stück hinter dem Wagen ein, ließ noch ein anderes Fahrzeug zwischen sich und das Zielfahrzeug und verdrängte alle Gedanken an den kommenden Triumph.
•
Ben sah die obersten Stockwerke der FUOP-TECH-Zentrale noch eine Zeit lang auf dem Monitor im Auto, bevor sie kleiner und von anderen Gebäuden verdeckt wurden. Obwohl er die Antworten bekommen hatte, wegen denen er in die Stadt zurückgekehrt war, fühlte er sich bedrückt. Nadjas Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf.
Verlassen Sie die Stadt! Verstecken Sie sich irgendwo! Verschanzen Sie sich, besorgen Sie sich Waffen!
Verschanzen? Verstecken? Vor einer Gruppe mysteriöser Roboter? Was sollte das Ganze? Ben sah Nadjas blasses hohlwangiges Gesicht vor sich, die übernächtigten Augen. Die Frau war völlig erschöpft gewesen. Und ohne jede Hoffnung. Es musste tatsächlich etwas geben, was sie so unter Druck setzte. Dass er die Warnungen ernst nehmen musste, beunruhigte Ben zutiefst. Aber sie waren ohnehin auf dem Weg aus der Stadt.
Nervös drehte er sich um. Das Fahrzeug hinter ihnen war abgebogen. Lediglich ein unscheinbarer kugelförmiger Doppelsitzer fuhr in größerem Abstand hinter ihnen. Ben interessierte sich nicht für den Wagen. Er hielt Ausschau nach den Robotern, von denen Nadja gesprochen hatte. Im Dämmerlicht konnten sie sich gut in den Häuserschluchten zu beiden Seiten der Ausfallstraße verstecken. Ben achtete auf jede Person, die den Fußweg entlanglief, jede Bewegung, jede Unregelmäßigkeit in den Konturen der Gebäude. Er konnte nichts finden, was seine Furcht gerechtfertigt hätte. Die Roboter hielten sich im Verborgenen. Oder ihr Zeitpunkt war noch nicht gekommen. Aber wie viel Zeit hatten sie noch? Eine halbe Stunde? Zehn Stunden? Zehn Tage? Dazu hatte Nadja nichts gesagt.
Ben hatte Max nichts von Nadjas Warnungen erzählt. Zum einen wollte er den alten Mann nicht beunruhigen. Zum anderen wollte er nicht mit diesem herablassenden spöttischen Lächeln bestraft werden, mit dem der Alte jede Äußerung bedachte, von der er nichts hielt. Und Nadjas Äußerungen klangen reichlich wirr. Aber es fiel ihm schwer, seine Unruhe zu verbergen. Er hatte ein seltsames Gefühl im Bauch, das er nicht einordnen konnte.
„Wie lange dauert es noch, bis wir am Schloss sind?“, fragte er. Max warf ihm einen schnellen Seitenblick zu. „Noch eine Weile“, sagte er. „Reiß dich zusammen! Wir sind bald raus aus der Stadt.“
Ben verzog das Gesicht und wandte sich der
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