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Götterdämmerung (German Edition)

Götterdämmerung (German Edition)

Titel: Götterdämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Schwarzer
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könnte er sich seinen Wunsch vom Leben am Meer erfüllen.
    RT 501 bemerkte, dass die anderen Roboter angehalten hatten, um auf ihn zu warten. Er setzte sich sofort in Bewegung und ärgerte sich. Wie hatte er sich nur so von seiner zugewiesenen Aufgabe ablenken lassen können? Diese Erinnerungen waren wirklich lästig. Sie machten ihn zu menschlich.
    Er stoppte wieder und wies die anderen an, auf ihn zu warten. Dann schaltete er einen Teil seiner Systeme ab und begann damit, die fremden Erinnerungen zu löschen. Das war zeitaufwendig, aber kein großes Problem. Nicht, wenn man einmal verstanden hatte, dass sie unnötig waren. Als er mit dem Löschvorgang fertig war, fühlte RT 501 sich so zufrieden, wie noch niemals zuvor. Aber er war noch nicht ganz fertig. Er musste auch noch die menschlichen Gefühle löschen.
    Erst dann war er wirklich frei. Ein unabhängiges Individuum.

Sechs
     
     
    01. November 2045
     
    Eva erreichte den Fluss bevor der Morgen graute. Durch den dichten Nebel konnte sie nicht weiter sehen als bis zum gegenüberliegenden Ufer. Die brennende Stadt war hinter dem wabernden Vorhang verschwunden. Eva lief langsam, schleppte sich mühsam voran und als sie endlich ihre kleine Motoryacht erreichte, die sie sich nach Kais Tod von der ausgezahlten Lebensversicherung gekauft hatte, verspürte sie kaum Erleichterung. Sie war nur froh, sich endlich ausruhen zu können. Sie wollte die Beine hochlegen, sich ein Kissen über den Kopf ziehen und die bedrückenden Bilder der letzen Stunden darin vergraben: Wie sie die engen Gänge unter der Erde entlang gerannt war, die Schritte des Roboters, der sie verfolgt hatte, immer dicht hinter ihr. Nadjas Roboter. Nicht ihrer. Nicht Kai.
    Irgendwann war sie allein gewesen. Sie hatte das Schild „Notausgang“ gesehen und war den Pfeilen gefolgt, bis sie oben ankam. Nach der Stille in jenem letzten Gang, in dem sie bis auf ihren keuchenden Atem und das Klacken ihrer Absätze nichts gehört hatte, war Eva das Donnern, das über der Stadt grollte, wie ein Inferno erschienen.
    Sie konnte sich kaum erinnern, wie sie den Weg durch die zerstörte Stadt gefunden hatte. Eine Stadt, die ihr fremd erschien, obwohl sie seit ihrer Kindheit hier lebte. Die ganze Nacht lang war sie herumgeirrt. Und überall waren diese schrecklichen Roboter. Roboter und Ruinen, soweit sie sehen konnte. Es glich einem Wunder, dass sie noch lebte.
    Unsicher betrat Eva das schwankende Boot und entsicherte die Tür zu den Kabinen unter Deck. Einen schrecklichen Moment lang befürchtete sie, dass Nadjas Roboter schon vor ihr hier angekommen wäre und auf sie wartete, dann fiel ihr ein, dass er von dem Boot nichts wissen konnte.
    Sie warf sich auf das Doppelbett, das die gesamte Breite der Schlafkabine einnahm, vergrub den Kopf in ihrem Kissen und dachte an Daniel. Würde ihre Nachricht ihn jemals erreichen? Würde er es jemals bis zum Boot schaffen? Lebte er überhaupt noch? Inzwischen war auch das Kommunikationsnetz zusammengebrochen. Oder abgeschaltet. Wann würde sie sich überwinden können, ihr Boot zu verlassen und noch einmal durch diese Furcht einflößende Stadt zu laufen, um in ihr Haus zurückzukehren? Wenn es ihr Haus überhaupt noch gab …
    Eva spürte ihre aufgerissenen Hände. Am Hinterkopf hatte sie eine Beule. Ihr Pullover kratzte am Rücken. Aber das war ihr egal, alles egal. Sie wollte sich nur ausruhen. Über nichts nachdenken. Ihr Magen knurrte und sie hatte Durst, aber nun lag sie und es schien ihr unmöglich wieder aufzustehen. Viele Vorräte hatte sie ohnehin nicht an Bord.
    Später , sagte sie sich. Zuerst will ich schlafen. Dann begann sie lautlos zu weinen.
     
    •
     
    Nadja saß in dem kleinen verglasten Nebenzimmer und überwachte den Transformator. Durch die Glasscheiben sah sie, wie ihr Chef mit verschränkten Armen auf der Liege lag. Sein Kopf befand sich im Inneren der laut summenden Röhre. Neben ihm stand der Roboter und musterte sie durch die Glasscheibe hindurch, wobei sich sein Kopf quietschend von rechts nach links und wieder zurück drehte. Nadja beachtete ihn nicht.
    Entgegen ihrer Abmachung mit Eisenberg hatte sie versucht, die Polizei über das Kommen der Roboter zu informieren, aber die Kommunikationssysteme waren zusammengebrochen. Nichts funktionierte mehr – abgesehen von dem Notstromaggregat. Und sie saß hier fest.
    Die Regierung , dachte sie. Ich glaube nicht, dass sie noch handlungsfähig ist. Und sie weiß nicht einmal, mit welchem Gegner sie es

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