Götterdämmerung (German Edition)
wirklich zu tun hat.
Sie hob den Kopf, als plötzlich die Tür aufging.
„Kai? Was machst du hier?“, fragte Nadja überrascht. „Du solltest doch auf Eva aufpassen.“
„Ich habe sie gehen lassen“, erwiderte Kai und musterte den HYP-Roboter in Nadjas Rücken, der sich schwerfällig in Bewegung gesetzt hatte und auf ihn zukam.
„Die anderen Roboter werden gleich hier sein. Ich habe sie auf mich gelenkt. Du solltest von hier verschwinden.“
„Warum willst du mir helfen? Ich habe dich damals betrogen.“
Kai schwieg. „Wo ist Naval?“, wollte er wissen. Mit einem kurzen fragenden Blick sah er auf den Körper, dessen Gesicht sich in der Röhre verbarg.
Nadja öffnete den Mund, um ihm zu sagen, dass er die Firma lange verlassen hatte, da trat HYP 33 zwischen sie und schob Nadja beiseite.
„Kai“, leierte der Roboter mit blecherner Stimme. „Du sollst schlafen.“
„Und du bist verrückt!“, herrschte Nadja ihn an. „Oder Eisenberg, dass er dich aktiviert hat. Geh an deinen Platz zurück!“
„Schlafen“, wiederholte der Roboter und sprang dann auf Kai zu. Der Sprung warf Kai zu Boden. Beide Roboter wälzten sich auf dem Boden. Sie warfen ein Regal um und stießen gegen die Liege. Der Transformator gab ein Warnsignal von sich. Nadja schrie.
„Hört auf!“, brüllte sie. „Navals Soldaten werden gleich hier sein. Verdammt noch mal.“ Sie wich auf die andere Seite der Liege aus, um nicht von den Robotern getroffen zu werden.
„Georg!“, versuchte sie es erneut. „Lass ihn in Ruhe!“
Der Roboter fletschte die Zähne zu einem skelettähnlichen Grinsen und zerquetschte dem anderen Roboter das Gesicht. Kunststoffsplitter platzten ab. Eines der Kameraaugen war im Inneren des Kopfes verschwunden, das andere kreiselte in dem zerstörten Gesicht.
„Ich hasse dich“, sagte Kai mit leiernder Stimme, dann zertrümmerte HYP 33 den Rest seines Kopfes und zerstörte damit einen Großteil der neurozellulären Matrix. Kai blieb mit verdrehten, in die Höhe gestreckten Armen auf dem Boden liegen.
„Er schläft“, sagte HYP 33 und ging zur Tür.
„Was machst du?“, rief Nadja ihm hinterher. „Bleib hier! Lass die Tür zu! Hast du nicht gehört, was Kai gesagt hat? Die Soldaten werden gleich hier sein.“
HYP 33, in dessen neurozelluläre Matrix ein Teil von Eisenbergs Wesen kopiert worden war, drehte sich nach ihr um. Dann winkte er ab, eine typische Geste, die Nadja stark an den echten Georg Eisenberg erinnerte. „Muss weg“, sagte er nur. Er öffnete die Tür.
Die Soldaten waren schon da.
•
Simon hatte immer noch den Schal vors Gesicht geschlungen, obwohl der mittlerweile ebenso voller Asche war wie seine Haare und die Kleidung, von der man die ursprünglichen Farben nur noch erahnen konnte. Sein Mund war trocken. Die Zunge lag wie ein Fremdkörper darin und wenn sie noch etwas schmeckte, dann war es bitter. Von dem langen Fußmarsch brannten Simon die Fußsohlen. Er musste sich mehrere Blasen gelaufen haben. Und er hatte Durst.
Alles das vergaß er, als er sah, dass das Haus, in dem Isabelle wohnte, weitestgehend unbeschädigt war. Noch während Simon die Haustür öffnete, stiegen ihm Tränen der Erleichterung ins Gesicht.
Geschafft , dachte er. Jetzt können wir zusammen von hier verschwinden.
Er ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen und blieb einen Moment lang stehen, versuchte, die Tränen zu unterdrücken. Er hatte kaum noch damit gerechnet, rechtzeitig anzukommen. Dass er nun hier war, dass alles auf wundersame Weise gut ausging, machte ihn fassungslos.
Er riss sich den Schal vom Gesicht und holte tief Luft. Das Treppenhaus roch nach Rauch wie die ganze Stadt, aber weniger stark und der süßliche Gestank, der sonst in der Luft lag, fehlte. Simon wischte sich mit schmutzigen Fingern über die Augen und rannte dann die Treppe hoch zu Isabelles Wohnung. Aufgeregt hämmerte er gegen die Tür.
„Isabelle!“, rief er. „Ich bin da! Yasmin!“
Die Tür wurde geöffnet und Isabelle zog ihn in den Flur. „Gott sei Dank!“, flüsterte sie und zog ihn zu sich. Als Isabelle seine Hände berührte, fiel Simon der kranke Mann aus dem Versteck wieder ein. Er spürte seine Hände so deutlich, als wären sie in den letzten Sekunden um ein Vielfaches gewachsen. Widerstrebend wehrte er Isabelle ab.
„Ich hab mich wahrscheinlich angesteckt“, sagte er leise. Aber Isabelle machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich habe dich sowieso schon angefasst“, meinte sie
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