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Götterdämmerung (German Edition)

Götterdämmerung (German Edition)

Titel: Götterdämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Schwarzer
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Menschen hatten vor dem Sturm Schutz gesucht, erst recht um diese Uhrzeit, aber Franco konnte einfach noch nicht nach Hause gehen. Dazu war er viel zu aufgewühlt, die Bilder vom Überfall noch zu lebendig. Wenn er jetzt nach Hause ginge, hätte er das Gefühl, in der Falle zu sitzen.
    Vielleicht warten sie längst auf mich , dachte er entsetzt. Sie haben gemerkt, dass ich entkommen bin und wollen mich nun abpassen. Womöglich befanden sich die Killermaschinen sogar schon ganz in der Nähe?
    Er drehte sich vorsichtig um, aber ringsum war alles ruhig. Niemand zu sehen. Nur sein breiter Schatten, der ihn von Laterne zu Laterne begleitete, ihn überholte, sich wieder zurückfallen ließ. Franco konnte noch immer nicht glauben, was er gerade erlebt hatte. Er dachte an Alissa und Sven. Daran, wie er gemeinsam mit ihnen das Lagerhaus verlassen hatte. Dachte an die beiden Roboter, die kurz danach aufgetaucht waren, Wesen wie aus einer anderen Zeit. Sie hatten sofort geschossen. Obwohl sonst eher behäbig und träge, hatte Franco in diesem entscheidenden Moment sofort reagiert: Er war gerannt. Noch bevor der erste Feuerball die Gruppe treffen konnte, war er um die Ecke des Lagerhauses verschwunden. Und während Alissa und Sven immer noch wie versteinert auf diese futuristischen Gestalten starrten, hatte er das Gebäude bereits hinter sich gelassen, verfolgt nur von diesem grässlichen Zischen, das er mit Sicherheit nicht noch mal hören wollte. Es glich einem Wunder, dass die Maschinen ihn nicht verfolgt hatten. Von der anderen Straßenseite aus, schon in einiger Entfernung, konnte Franco dann sehen, dass die Lagerhalle in Flammen aufging. Er war weitergerannt. So lange, bis es nicht mehr ging. Bis das Stechen in der Seite unerträglich wurde und er sein Keuchen nicht mehr ignorieren konnte. Bis jetzt.
    Inzwischen befand er sich ein ganzes Stück vom Lagerhaus entfernt, aber weder die räumliche noch die geringe zeitliche Distanz reichte aus, dass er sich besser fühlte. Eher war es so, dass ihm die Bedeutung des Überfalls jetzt erst richtig bewusst wurde. Was, wenn er der einzige Überlebende war? Er hatte doch keine Freunde außerhalb der Organisation! Seine Kollegen in der Werkstatt mochten ihn nicht. Eine Freundin hatte er nie gehabt, was zum einen an seinen hohen Ansprüchen und zum anderen an seiner zurückhaltenden Art lag. Das winzige Appartement am Stadtrand, das er bewohnte, war schäbig und nur dazu eingerichtet, sich nicht lange darin aufzuhalten. Franco hatte mehr oder weniger für die Organisation gelebt. Hatte seine Anerkennung aus der Gruppe gezogen. Was, wenn es Spirit nicht mehr gab?
    Nein , sagte er sich. Wenn ich es geschafft habe zu entkommen, dann hat es sicher noch jemand geschafft! Simon auf alle Fälle, der war gar nicht da gewesen. Er musste sich unbedingt mit ihm in Verbindung setzen.
    Franco nahm seine Brille ab, die verschmiert und voller Staub war und putzte sie notdürftig mit seinem Schal. Vielleicht hatte er Glück und die Killer verfolgten ihn nicht. Wer war er denn schon? Jedenfalls nicht der Boss. Eine Einzelperson, unbedeutend genug, dass sie ihn laufenlassen konnten. Manchmal war es auch von Vorteil ein Niemand zu sein. Aber was sollte er jetzt machen? Konnte er das Risiko eingehen, nach Hause zurückzukehren? Ihm fiel sein Auftrag ein. Richtig. Der Junge. Ich muss ihn finden.
    Er hielt an. Der Sturm hatte gedreht und drückte nun gegen seinen Rücken, versuchte, ihn weiter voran zu schieben, so als wollte er ihn in seinem Entschluss bestätigen.
    Es ist das Einzige, was ich tun kann. Tun muss!
    Plötzlich fühlte Franco sich etwas zuversichtlicher. Den Jungen zu finden, bedeutete nicht nur, dass er eine ihm gestellte Aufgabe erledigte und somit sein stummes Versprechen Oliver gegenüber erfüllte. Es bedeutete Wiedergutmachung. Etwas, was er anbieten konnte, falls noch jemand überlebt hatte. Er musste sich unbedingt mit Simon in Verbindung setzen. Aber erst, wenn er den Jungen hatte.
     
    •
     
    Um sich abzulenken, zählte Ben die hölzernen Treppenstufen auf dem Weg ins Dachgeschoss. Er kam auf vierundachtzig – verteilt auf sieben Treppenabschnitte. Das Treppenhaus war jetzt in warmes rotgoldenes Licht gehüllt und strahlte keinerlei Bedrohung mehr aus. Trotzdem war Ben nervös. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Er wollte nur ein sicheres Versteck für die Nacht und in Ruhe nachdenken, aber so einfach würde es wohl nicht werden. Ihm war völlig klar, dass Sophie ihn

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