Goetterdaemmerung - Roman
zusammengetragen in diesem in Paris einzigartigen Zimmer, für das er seit Jahren die Zuwendungen seines Vaters verbrauchte. Die vergoldete Kassettendecke, in deren Mitte ein riesiger venezianischer Leuchter hing, war mit Medaillons alter italienischer Fresken geschmückt; Tapisserien, golddurchwirkter Lyoner Damast, Vorhänge und Portieren waren aus rankenverziertem, stiefmütterchenfarbenem Samt; der herrlichste altgoldene Brokat, mit dem die Wände bespannt waren, diente nur als Hintergrund und um einen Zusammenklang zu erzeugen zwischen zahlreichen Bildern, Triptychen, vergoldeten und bemalten Holzskulpturen, zwischen von Früchten umgebenen Emailmadonnen und exzellenten Porträts großer Meister in Rahmen aus Schildpatt und geschwärztem Silber. Diwane, einzigartige Vasen, Unmengen Stiche und seltene Bücher, ein großer, aufgeklappter Flügel, kostbare, mit seltsamen Geigen und Likörkannen überhäufte Möbel, das alles füllte das Zimmer und ließ einem kaum Platz zum Umdrehen. Dank der angesammelten Prachtstücke wie Bronzen, Emaillen, Porzellane, Spitzen, Chinoiserien gab es keine Ecke, die nicht einen mehrstündigen Aufenthalt wert gewesen wäre; Kelche aus Bergkristall, Becher in Weintraubenform, ein Nürnberger Ei 70 neben einem behauenen bretonischen Kieselstein, ein Hochzeitsteller von Guido Fontana 71 … Hinten in einer Vitrine waren Schumanns letzte Schreibgarnitur, mehrere Autografen von Beethoven und weitere romantische Reliquien ausgestellt. Ein in Augsburg aufgetaner Kalvarienberg 72 aus alter Eiche hing am Mittelpfosten der Tür und veranlasste Herrn d’Andonville zu der Bemerkung: «Was für ein großer Bildhauer dieser Inri doch war!» Vier florentinische Büsten aus einem unvergleichlichen Marmor und aus der Blütezeit dieser Kunst, Medaillen, Filigrane 73 , tausend einzigartige und charmante Nichtigkeiten vervollständigten diese ungeheuren Reichtümer, deren Anhäufung Augen und Bewunderung ermüdete und die besten Kenner lehren würde, was Verschwendung, raffinierter Geschmack und Gepränge bedeuten konnten.
Das Leben von Bruder und Schwester verlief zwischen Büchern und Bildern, im tiefen Frieden dieses großartigen und ruhigen Schlupfwinkels, und es bestand einzig aus vollendetem Glück, Lächeln, Zärtlichkeit und Liebe zum Schönen. Nachdem sich all die aufdringlichen Personen entfernt hatten, verbrachten sie in trauter Zweisamkeit herrliche Tage und ergötzten ihre Seele mit Liedern und Versen. Die Belcredi, die sich über die Musik Einlass zu ihrem allen anderen verschlossenen Gemach verschafft hatte, befand sich zu dieser Zeit für zwei Wochen im Hôtel Windsor. Es war eine Laune von Karl von Este, sich plötzlich an sie zu erinnern und sie eines Morgens abzuholen. Sie war also wieder im Schwange und so zufrieden über ihren «lieben Herrn» und die Fortschritte, die sie bei ihm erzielte, dass sie dachte, es sei allmählich an der Zeit, sich ans Werk zu machen.
Die Lasterhaftigkeit und die Schwärze ihrer Seele, zusammen mit ihren durchdringenden Augen, die daran gewohnt waren, furchtlos die dunkelsten Geheimnisse auszuloten, hatten sie bei Christianes und Hans Ulrichs inniger Vertrautheit schnell erkennen lassen, wohin deren Herz sich neigte. Seit Jahren schlummerten sie in der ruhigen Verzückung ihres Seite an Seite fließenden Lebens dahin, aber es würde genügen, wenn eine Hand sie in Richtung des Abgrundes stieße, über den Giulia sie sich neigen sah, um die Freuden und unschuldigen Wonnen in bittere Qualen und tragische Katastrophen zu verwandeln.
«Wenn Ihr verheiratet seid …», hatte die furchtbare Frau einmal zu Christiane gesagt, um sich Klarheit zu verschaffen. Sie konnte ihre Freude voll auskosten: Hans Ulrich fuhr kreidebleich hoch, während Christiane protestierte, sie wolle überhaupt nicht heiraten, da sie auf immer gar zu glücklich sei mit ihrem Bruder, ihrer Musik und ihren Büchern.
«Aber wenn Euer Vater es nun anordnete?», gab Giulia zu bedenken.
«He! Der Herzog überlegt das wohl», meinte Hans Ulrich nun mit zitternder Stimme …
Nach diesem Ausbruch versiegelte mehrere Tage lang eine Art erbitterter Schüchternheit seine Lippen, ohne dass dieses andauernde Schweigen die Belcredi hätte abschrecken können. Leichtfertig und untätig im Beisein von Karl von Este, war sie den jungen Leuten gegenüber ganz Shakespeare und ganz Beethoven. Die Sängerin wusste viel; sie beurteilte Kunstwerke mit Geschmack und Überlegenheit und gab vor, die in den
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