Goetterdaemmerung - Roman
tatsächlich eine brennende und schmerzliche Erweckung. Nichtigkeiten wurden für sie zu Hydren; Gebete, Kasteiungen, rigoroses Fasten, die strengsten Glaubenspraktiken taten kaum ihrer Buße, ihrer Furcht vor dem Teufel Genüge. Sie machte eine tragische Szene, bei der sie sich Augusta zu Füßen warf und sie anflehte, sie nicht zu verurteilen, woraufhin jene ziemlich erstaunt nur immer wieder sagte: «Aber! Aber! Chère temoiselle …» 82
Zu guter Letzt fing sie an, mit der armen Magdalena zu weinen. Von da an wurden die Besuche häufiger: Augusta zeigte der Italienerin, wie man die Zukunft durch Berechnungen und kleine Punkte 83 vorhersagen könne, liebkoste sie, erzählte ihr Märchen, von denen sie unzählige kannte, und manchmal bereitete sie ihr ein von der deutschen Küche beeinflusstes Festmahl: Kohlsuppe, Mehlklöße in Gewürzbrühe, dazu immer eine Wurstbrätfüllung.
Dann, als sie sah, dass es nicht voranging, erlitt Emilia plötzlich wütende Zornesausbrüche. Sie zerschmetterte ihre Kerzen, zerriss ihre Skapuliere und verfluchte die Heiligen und sagte, diese großen coglioni 84 hätten keinerlei Macht. Franz’ unterwürfiges Benehmen schützte ihn nicht vor dem Hochmut und der Anmaßung dieser gebieterischen Juno. Man hörte sie mittlerweile zwei Zimmer weit; sie sprach nicht einmal leiser, wenn es um intimste Dinge ging. Drei oder vier Szenen täglich wurden zum Alltag. Erschöpft ließ sie sich danach von ihrer Kammerfrau frisieren, was sie beruhigte und schläfrig machte; ihr schweres und seidiges Haar setzte in stürmischen Zeiten Funken frei, und so kam ihr eine dieser extravaganten Ideen, die einen bisweilen daran zweifeln ließen, ob sie noch bei Verstand sei. Sie bildete sich irrsinnigerweise ein, Franz’ Widerstand rühre vielleicht von Dünkel und aristokratischen Wahngespinsten her, und dieser Anwandlung nachgebend schickte sie, ohne weiter zu überlegen, dem Grafen von Oels folgende Zeilen. Dazu muss gesagt werden, dass der Herzog, nach höfischer Mode und ohne dass dies jemand für bare Münze genommen hätte, seinen Kammerherrn vertraulich «meinen Cousin» nannte.
Graf, man nennt mich Glücksbringerin, ich möchte Euch Glück bringen und Euch Eure Gesundheit zurückgeben; hört, was ich für Euch zu tun gedenke: Ich bin katholisch, ich werde zum Protestantismus übertreten, das wird Euch Glück bringen, da in mir und vor allem in meinem Haar eine so große Zauberkraft steckt, dass meine Gegenwart im selben Zimmer genügen wird, um Eure Schmerzen verschwinden zu lassen.
Zum Ausgleich bitte ich Euch um einen kleinen Gefallen, ich möchte gerne die Cousine von François 85 sein; adoptiert mich als Eure Tochter, ich erbitte nur Euren Namen, ich denke, dass François sich leichter mit mir aussöhnen wird, wenn ich seine Cousine bin.
Glaubt mir, lieber Graf, eine gute Tat wird Euch Glück bringen, bedenkt das!, und gewinnt eine Seele für Eure Religion!
Emilia Catana.
Man kann sich das Geläster und Gelächter über dieses seltsame Gewäsch vorstellen. Herr von Oels, der ans Bett gefesselt war, und das diesmal nicht aus Ziererei, schickte die Epistel sogleich an Seine Hoheit, denn seine Gicht machte das Gift des Kammerherrn noch schärfer. Allerdings geschah dann nicht, was der hochwohlgeborene Herr erhoffte; zu viele Sorgen bedrängten Karl von Este in seinem Haushalt, als dass er über diese Bagatelle nachgedacht hätte. Es war nämlich Mitte Oktober, und er war vollauf damit beschäftigt, sich im Hôtel Beaujon einzurichten.
Die ersten Tage vergingen damit, dass er tausend kleine Details fertigstellen ließ und inzwischen durchs Haus streifte, gefolgt von dem treuen Arcangeli, der nach und nach alles aufschrieb, was seinem Herrn in den Sinn kam, um die Dinge aus der Masse herauszuheben und zu verschönern. Von den Fenstern blickte man auf den nahen Triumphbogen, und der Herzog lachte bisweilen darüber, dass er als Enkel des preußischen Generalissimus hier, vor dieser wunderbaren Trophäe der «Marseillaise», untergebracht war, die auf immer nach Krieg und Herausforderung seinem Ahnen gegenüber schrie.
Das unerwartete Erscheinen von Graf Otto, dessen Hochparterre zu Ende gebaut war, verschaffte Seiner Hoheit eine neue Beschäftigung und entfesselte im ganzen Haus eine Art heftigen Sturm, ohne dass der Herzog gegenüber dem jungen Mann weniger Nachsicht und, man kann sogar sagen, Fügsamkeit gezeigt hätte.
Der Lieblingssohn führte nun überall einen achtzehnjährigen
Weitere Kostenlose Bücher