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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: El mir Bourges
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können.
    Sie spürten die Träumereien, die Raserei, das brennende Begehren, die gesamte Wucht der Leidenschaft. Christiane betete nicht mehr; Hans Ulrichs Haar wurde weiß. Müßiggang und Saumseligkeit, delikate Speisen und opernhafte Zärtlichkeiten verweichlichten ihr Herz, diese ganze verworrene Poesie, die sie aufsaugten und die zu ertragen ihr Geist zu schwach war, dazu der sie umgebende Luxus, das alles kam zusammen, um sie an den Rand des Abgrunds zu treiben, bis nach langem Sich-Vergessen ihr erwachtes Gewissen ihnen plötzlich eine so heftige Flamme in die Augen schleuderte, dass es einem alles vernichtenden Blitzschlag glich. Sie flohen voller Entsetzen; doch kaum waren sie allein, da drückte und bedrängte sie wieder das Verlangen, sich wiederzusehen; aber kaum hatten sie sich gesehen, empfanden sie erneut nur Qualen, Leere, eine tiefe Niedergeschlagenheit sowie glühende und wirre, sich gegenseitig auslöschende Gedanken.
    Sie begannen sich zu hassen, sich Grobheiten zu sagen, bittere Worte, so sehr vergrößerte sich ihr Leid. Oft saßen sie einander gegenüber und eine plötzliche Empfindungslosigkeit ließ sie erstarren, und das über Stunden, ohne dass einer von beiden den kleinsten zärtlichen Gedanken hervorbringen konnte. Oh!, was hätte Hans Ulrich um einen der Seelenergüsse gegeben, bei denen er früher förmlich an seiner Schwester gehangen hatte! Christiane und er waren grimmig und gleichgültig gegenüber allem, zum Erbarmen. Sie gingen in die Natur hinaus, doch die Felder, Wälder und die Sonne erfreuten ihre Augen nicht mehr; sie flüchteten sich in die Kunst, aber in ihnen herrschte eine enorme Leere, in die Musik und Dichtung nicht mehr eindrangen. Wie bei gefrorenem und glänzendem Wasser, von dem einen Moment später nichts bleibt als Schlamm, wandelten sich ihre Beschäftigungen von früher, sobald sie nun daran rührten, in ein zwielichtiges Nichts. Da sie Opfer einer unermesslichen Sehnsucht waren, die nicht gestillt werden konnte, schien sogar ihre Liebe zu entschwinden und in ihrer Seele zu ersterben. «Christiane liebt mich nicht!», wiederholte Hans Ulrich dann verzweifelt bei sich; er wollte sie töten, sich selbst töten; und jeder Augenblick ihres Lebens, jeder Pulsschlag, jedes Aufblitzen ihres Geistes enthielt nun mehr Qualen und hatte, so kann man sagen, mehr Bestand als all die Jahre ihrer Zweisamkeit.
    Trotz alledem verrannen die Tage erschreckend schnell und der Herzog, der vor Ungeduld fast verging, schien die Zeit noch eigenhändig anzutreiben, indem er zu den letzten Vorbereitungen stürzte und nervös aufstampfte. Die Aufbauten waren fast beendet. Man hatte Karl Doëry durch einen Bariton des Théâtre Lyrique ersetzt: Wagner schließlich gab auf ein zweites, schmeichelndes Billett seiner Hoheit hin die erbetene Einwilligung; als man dann den Saal mit dreihundert Sesseln für ebenso viele geladene Gäste bestückt hatte, galt es nur noch den Tag der Generalprobe festzulegen, der der Herzog beiwohnen wollte, die dann für Samstag, den 21. Januar anberaumt wurde.
    Christiane und Hans Ulrich probierten nachmittags ihre Kostüme an; seines bestand nur aus einem ledernen Waffenrock, ihres aus einer langen Tunika aus weißer Wolle und einer Goldspange, die ihr Haar zusammenhielt. Die Belcredi holte sie gegen acht Uhr ab; nun gingen sie zu dritt hinunter in einen kleinen, hell erleuchteten Salon, den man hinter den Kulissen eingerichtet hatte und der über eine verborgene Treppe mit Christianes Gemach verbunden war.
    «O mein Gott!», sagte Giulia, «Gräfin, Ihr habt Eure Ohrringe vergessen.»
    Diese zwei in Gold gefassten Löwenzähne waren eine neue Galanterie der Herzogs; ein rustikales Schmuckstück, das Seine Hoheit für Sieglinde hatte arbeiten lassen.
    «Sie sind im Sekretär», sagte Christiane zu Hans Ulrich, der noch einmal nach oben ging.
    Das Gemach war verlassen und still; es wurde von zwei großen Lampen beleuchtet. Hans Ulrich hatte das eigenartige Möbelstück mit den Einlegearbeiten aus Schildpatt und Elfenbein geöffnet; als er es wieder schließen und mit der Schatulle hinuntergehen wollte, entdeckte er plötzlich ganz hinten in einer Schublade seine Pistolen, denn Christiane hatte eine Verzweiflungstat befürchtet und sie ihm unbemerkt entwendet.
    Er öffnete die Kassette aus Silber, die wie alles, was von Karl von Este kam, das Blankenburger Wappen trug, und begann, diese schönen Waffen im Lampenschein zu betrachten. Die ihn umgebende Stille

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