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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: El mir Bourges
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Gelächter vorstellen, das nun entlang dem Pfad erscholl, und die schnalzenden Peitschenhiebe, mit denen Lyonnette die kleinen schottischen Ponys antrieb, um schnell ins Schloss zurückzukehren. Die junge Frau begab sich unverzüglich ins Schlafgemach des Herzogs, wo sich der ganze von ihr mitgebrachte Kram an Schmuck und Putz befand, und während sie sich vor dem hellen, knisternden Feuer umzog, trieb sie tausenderlei Kindereien mit Pepa Sanchez und Giovannina Flor, die sie als Kammerfrauen bedienten; da öffnete sich mit einem Mal die Tür, und Otto erschien auf der Schwelle, glühend, schwitzend und schlammbedeckt, denn er war vom Bahnhof in Montigny zu Fuß hergerannt.
    «Ist mein Vater nicht hier?», fragte er mit rauer Stimme.
    «Na, so ein Tölpel!», gab Lyonnette rasch zurück. «Was fällt Ihm ein, einfach so bei den Leuten hereinzuplatzen!»
    Ihre sprühenden blauen Augen, ihre hochgereckte Nase, ihr hübsches gekräuseltes Haar, das sie ungeduldig schüttelte, und die helle Röte, die ihre Wangen überzogen hatte, dies alles machte aus ihr in jenem Moment eine höchst aufrührerische Bellona, um die Amor, Spiel und Vergnügen niemals herumgetänzelt wären. 135 Halb angekleidet, wie er sie überrascht hatte, sah Otto sie in den überall im Raum angebrachten Spiegeln mit nacktem Hals und nackten Armen, recht kleinen, aber spitzen und festen Brüsten, zwischen denen am Ende einer Seidenkordel ein Medaillon aus vergoldetem Silber baumelte; und ihr Korsett von malvenblauem Satin mit altsilberner Stickerei, in dem sich das Licht wie am Hals eines Täubchens irisierend brach, ließ ihre bezaubernden, zarten und kindlichen Schultern sehen.
    «Ah! Ihr seid Herr Otto!», sagte Lyonnette nun besänftigt, da sie den jungen Mann von den zahlreichen Porträts her erkannte, die im Hôtel Beaujon hingen. «Nein, nein! Er ist nicht hier, der alte Draufgänger», fügte sie hinzu, während sie im Zimmer auf und ab ging und ihr um sie wirbelnder kurzer, leichter weißer Spitzenunterrock ihre in Seidenstrümpfen von der Farbe getrockneter Rosen steckenden Beine freigab … «Er ist nach Fontainebleau gefahren, mit seinem Affen von Italiener und der anderen, der alten Mumie mit den Augen wie glühende Kohlen.»
    «Mein Vater ist nicht in La Roche-Brûlée?», wiederholte Otto, bass erstaunt über dieses unerwartete Missgeschick.
    «Nein, so etwas! Nein! Wenn man es Euch doch sagt», erwiderte die Schöne, während sie ihr eng anliegendes Oberteil überstreifte. «Ich muss es doch wissen, meine ich, schließlich wollte er mich mitnehmen. Aber was hat er überhaupt im Schloss Fontainebleau zu suchen, der alte Salomo, dieser alte Kosak? Will er vielleicht besichtigen, was man uns zu Zeiten des ersten Kaisers 136 gestohlen hat?», fuhr Lyonnette fort, die der Klang ihrer eigenen Beschimpfungen befeuerte und die wirklich glaubte, dass Karl von Este Kosake sei oder wenigstens «aus jenen Ländern dort». Sie hielt inne, lächelte sich zu, verneigte sich vor dem Spiegel, in dem sie sich von Kopf bis Fuß sehen konnte, und berührte mit dem Finger die charmanten Grübchen an ihren Schultern und ihrem Hals, wobei sie nacheinander «Salz … Pfeffer … Senf …» sagte.
    Und plötzlich begann sie, auf die Arme ihrer Gefährtinnen gestützt, auf und ab zu hüpfen und vor sich hin zu singen: «Haha! Der alte Unhold! Ich pfeif auf ihn, haha! Heut Abend Feuerwerk, haha! Ihr seid dabei, Herr Otto, haha! Wir beide werden tanzen!»
    Doch da stach sie eine Nadel, ein Blutstropfen trat auf ihre Fingerkuppe. In einer kindlichen Anwandlung fuhr sie damit über Ottos Wange, mit dem Ausruf: «Jetzt seid Ihr mein Cousin …»
    Worauf die drei Frauen zu lachen begannen und rasch entwischten.
    Der Tag neigte sich, die Sonne stand tief. Himmel, Fluss und Park waren gänzlich in reglosen Purpur gehüllt, und Otto, der allein im Zimmer zurückgeblieben war, fühlte sich trunken vor Traurigkeit. «Giulia! Giulia! Teures Glück …!» Der Drang, sie wiederzusehen, sie zu umfangen, sie zu besitzen, zog ihn mit aller Macht nach Paris; er konnte nicht mehr widerstehen. Und mit einem unvermittelten heiseren Schrei begann er auf den wuchtigen Sekretär aus geflammtem Mahagoni einzuschlagen, in dem der Herzog sein Geld weggeschlossen hatte. Otto trug unter seinem Hemd eines, das seine Geliebte getragen hatte, und streckte hin und wieder seine Glieder, um es deutlicher auf seiner Haut zu spüren. Dann schossen ihm die Tränen aus den Augen, und erst die

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