Goetterdaemmerung - Roman
Hochmütige wohl wusste, dass sie keineswegs süß und gut war. Er erniedrigte sich, dürstete danach, zu gehorchen, sich niederzuwerfen, der Sklave seiner Geliebten zu sein; doch diese Demut der Liebe, die er allein Giulia widmete, erhöhte umso mehr seinen Stolz gegenüber den anderen Menschen. Eine Freude, eine erschreckende Kraft floss durch seine Adern. Er hätte schreien, dreinschlagen, beißen, Löwen erwürgen mögen, und dennoch sprachen seine auf Giulia gerichteten Augen stets mit unendlicher Sanftmut zu ihr. Er konnte nicht anders, als ihr zuzulächeln, sie zu bewundern, ihre Schulter oder ihr Haar zu berühren – sogar in Gegenwart der Arbeiter, die seit einigen Tagen dabei waren, die Wände frisch zu streichen und die bescheidene Unterkunft ein wenig wohnlicher zu gestalten.
Sie verfügte über drei Räume im ersten Stock, wohin man über eine hölzerne Stiege gelangte, die an der Wand lehnte und deren Geländer aus zwei Stangen bestand, nicht besser als die Treppe eines Dorfmüllers. Von dort betrat man einen Korridor, von dem links und rechts die drei recht spärlich möblierten Zimmer abgingen, und das war dann die Wohnung: nur ein paar Schränke, darüber eine kleine Dachkammer und im Erdgeschoss die Küche. Nichts war fertig, als die Belcredi die Räume von den Erben des alten Alchimisten, der vor ihr hier wohnte, gemietet hatte und überstürzt eingezogen war: Nicht ein Schloss war in Ordnung, die Schlüssel der einzelnen Stockwerke sämtlich vertauscht, und abends, während des Wartens auf Laury, die zum Ölholen gegangen war, gab es kaum eine kümmerliche Kerze. In diesem Dunkel setzte sich Otto der nachdenklichen Giulia gegenüber und betrachtete, die Handflächen auf ihren Knien, voller Verlangen seine Geliebte. Die Dämmerung senkte sich herab, im Zimmer wurde es immer finsterer. Leidenschaftlich streckte er die Hand aus, liebkoste mit zitternden Fingern die blasse Wange seiner Angebeteten, und die Sanftheit dieser Empfindung weitete seine Seele und überflutete sie mit einem Glanz, der der Morgenröte glich.
Doch schon störten Gipsarbeiten und Hammerschläge dort oben beträchtlich, und nachdem Giulia einen Schlüssel für das Erdgeschoss entdeckt hatte, verschafften sich die beiden Liebenden dort Zutritt und ließen sich ungeniert nieder, um die alten polnischen und litauischen Waffenkisten auszupacken, die ihnen der junge Graf Dzalinski, einer von Ottos neuen Freunden, als Geschenk geschickt hatte – und bald bewegten sie sich gar nicht mehr fort von hier, obwohl die beiden Zimmer bis zur geplanten Versteigerung der dort eingelagerten Destilliergefäße, Glaskolben, Schmelztiegel und Kuriositäten des alten Spitzer von der Vermietung ausgenommen waren.
Unter Staub und Spinnweben lagen hier überall menschliche und tierische Skelette, Pflanzen, Vögel, Metallproben, exzentrische Schöpfungen – die Hand einer Meeresnymphe, einen Affen und eine Katze, beide mit Flügeln geboren: «Adam und Eva», wie sie die Belcredi eigenartigerweise genannt hatte –, antike Münzen, Urnen, Mumien, Bäume aus schwarzer Koralle und über zweihundert Phiolen mit einer durchsichtigen, zähen Flüssigkeit, in der Skorpione, Taranteln und Schlangen eingelegt waren; kurz, ein düsteres Tohuwabohu, in dem es den Liebenden allerdings durchaus gefiel. Sie spazierten auf und ab, riefen einander laut Bemerkungen zu, stöberten herum, amüsierten sich an Kristallrädern, aus denen Funken sprühten; ihre Finger ließen diesen ganzen finsteren Plunder erblühen, sobald sie ihn berührten. Und das vielleicht Beste, was diesen beiden tragischen Seelen auf ihrer kurzen und dornigen irdischen Reise widerfuhr, der wohl süßeste und strahlendste Augenblick ihres Lebens, war ein Nachmittag der Liebe, der Verrücktheiten, des Spiels zweier Kinder und der unbezwinglichen Lachanfälle, die sie beim Bericht der Belcredi über einen holländischen Bauernhof schüttelten, wo man den Kühen vor lauter Angst, sie würden sich beschmutzen, den Schwanz mit einem an der Decke befestigten Strick hochband.
Sie beteten einander an, forderten das Schicksal heraus, umschlangen einander ungestüm. «Ach! Ich liebe dich so sehr, mein teurer Schatz, wie gern möchte ich für dich sterben!» Bei der bloßen Erwähnung des Hôtel Beaujon, wo er trotz allem wieder erscheinen musste, und sei es auch nur für ein paar Augenblicke, verzog sich das Gesicht des ungebärdigen Jungen in ärgerliche Falten; Giulia auch nur für eine Stunde zu
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