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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: El mir Bourges
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auf ewig für sich; zweifelsohne war sie ihrer beider Armut, ihres Lebens im Verborgenen überdrüssig; und wenn der Herzog einst verschied, wäre er allein Herrscher und Herr über jenes ungeheure Vermögen …
    «Und ein solches Verbrechen, für sie begangen, wird sie an mich binden, sie mir unterwerfen.»
    Wäre er denn im Übrigen der Erste, der ein solches Abenteuer wagte …? Und so jagte im Kopf des blassen jungen Mannes ein Gedanke den anderen.
    «Ja, in seine Milch oder sein Obst», rief die Belcredi, tief in Gedanken versunken, plötzlich aus.
    Sie erschauerten beide, und aus ihrer Träumerei erwacht, betrachteten sie einander fassungslos – bereits Komplizen und Verbrecher, mit einer Angst vor dem Entsetzlichen, die ihnen die Seele verbrannte.

IX
    Nach Giulias Rückkehr ins Hôtel Beaujon vergingen die ersten fünf Tage mit Ereignissen, die eine journalartige Aufzeichnung erfordern, um sie in ihrer überstürzten Folge zu entwirren. Zunächst war da das unerwartete Erscheinen Graf Ottos, der plötzlich dastand wie aus dem Erdboden gewachsen, sehr traurig schien und erzählte, er komme aus London; doch gab er auf diesbezügliche Fragen so widerwillig Auskunft, dass der Herzog, ohne weiter in ihn zu dringen, vermutete, dahinter stecke wohl irgendein romantisches Abenteuer, und einzig daran dachte, den verlorenen Sohn zu feiern. Zwischen seinem Kind und seiner Geliebten blühte er auf vor Freude. Und um die Befangenheit zu vertreiben, die sich beim Wiedersehen in deren Benehmen zeigte, führte sie der Herzog zum Speisen in ein Wirtshaus und wurde dort zum Ende hin so heiter, dass er sogar mit Messer und Gabel auf seinen Teller klopfte, um die Klaviermusik aus einem Nebenzimmer zu begleiten.
    Am folgenden Tag, einem Dienstag, erhielt Karl von Este beim Aufwachen aus den Händen des Dieners, der seine Vorhänge aufzog, einen Brief mit schwarzem Umschlag, den Christianes Kammerfrau schon morgens gebracht hatte. Der Anblick des Billetts missfiel ihm wegen des Gedankens, dass es eine weitere von Frau Sophie veranlasste Bitte enthalten könne, etwa um Unterstützung für eine Kapelle oder für die Armen, und so zögerte der Herzog das Öffnen bis vier Uhr nachmittags hinaus. Gegen zwei Uhr gab Christiane den Befehl, anzuspannen; und nachdem sie noch einige Zeit hatte verstreichen lassen, während der sie verträumt im Zimmer auf und ab ging und Pater Le Charmel und die Prinzessin von Hanau sich in einer Ecke mit gedämpfter Stimme unterhielten, sagte sie plötzlich: «Gehen wir!»
    «Wollen Sie immer noch am Père-Lachaise vorbeifahren, liebes Kind?», erkundigte sich Frau Sophie.
    Sie nickte bestätigend, die alte Louisa erschien mit dem Reisegepäck – und als Letzte auf der Schwelle stehend, warf Christiane einen langen Blick auf das vertraute Zimmer, das ihrem Herzen so teuer war wie eine geliebte Freundin. Nun geschah es also: Sie verließ Paris, sie ging nach Poitiers in ein Karmelitinnenkloster. Dort würde sie zunächst ihrem weltlichen Leben abschwören und später den Schleier nehmen, die feierlichen, unwiderruflichen Gelübde ablegen … Es herrschte Totenstille; der Wind wirbelte sacht die im Kamin aufgehäufte Asche auf, wo sie ein paar Briefe und die Porträts von Hans Ulrich verbrannt hatte; sie empfand mit Schrecken das herzzerreißendste Wirken der Zärtlichkeit … Dann ging Christiane hinunter.
    «Wir haben zwei Stunden für uns», sagte die Prinzessin nach einem Blick auf ihre Taschenuhr, und nun sprach keiner mehr. Hinter der Scheibe in den Sitz versunken, warf Christiane einen trübsinnigen Blick auf die baumbestandenen Avenuen, die Equipagen, die Passanten, deren Anblick ihre Augen beleidigte. Sie zog die lederne Fensterabdeckung herab und lehnte sich in ihre Ecke zurück, doch schon hielt das Coupé. Man war am Friedhofstor angelangt.
    «Geht, meine Tochter, wir warten auf Euch», sagte Pater Le Charmel halblaut.
    Die einstweilige Grabstätte derer zu Blankenburg, die Herzog Karl von Don López Aguillu, einem reichen Brasilianer, erworben hatte, liegt auf dem Gipfel des Hügels, in der Nähe des Grabmals von Balzac. Von anderen Ruhestätten dicht umdrängt, deren Grabsteine und -kreuze die Sicht nach allen Seiten versperren, fällt es wegen seiner kannelierten marmornen Spitze, der üppigen Vergoldungen und seiner von Engelsfiguren flankierten Türmchen mit durchbrochenem Mauerwerk schon von Weitem ins Auge.
    Christiane schickte Louisa fort, nachdem sie der alten Dienerin die

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