Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: El mir Bourges
Vom Netzwerk:
über die Maßen rühmte. Wenn man ihm glauben durfte, hatte er Durst, als er gerade irgendeinen Wachskopf hinten im Kabinett in Ordnung brachte, das an das Schlafzimmer des Herzogs grenzte; und da er sich allein in dem verlassenen Zimmer befand, verfiel er mit der Durchtriebenheit eines Scapin 150 , der seinem Herrn einen Streich spielt, auf den Gedanken, aus Karl von Estes eigener Tasse zu trinken. Doch als er sie an die Lippen führte, verbreitete sie so einen widerlichen Gestank und zeigte eine so gänzlich veränderte Farbe, dass der Schalk sie ohne weiteres Nachdenken ausschüttete. Wenn der Bericht wahr ist und eine Untersuchung, wie der Herzog dachte, Otto als Urheber dieser Angelegenheit enthüllt hätte, dann hätte, abgesehen vom Wahnsinn und der Schwärze eines solchermaßen gewagten Verbrechens, doch eine außerordentliche, nicht nachvollziehbare Gefahr bestanden. Wie hätte er sich vom Herzog fortstehlen, das Gift vorbereiten (man nahm an, dass es sich um von Streichhölzern abgekratzten Phosphor handelte), hereinkommen und die Brösel in die Tasse werfen können, ohne dass Giovan, der in dem Kämmerchen nebenan arbeitete, auch nur das leiseste Geräusch gehört hätte? Und der so gewiefte, so wachsame und vorsichtige Arcangeli hatte keinerlei Misstrauen gehegt, nicht ein Mal innegehalten …! Wahr ist allerdings, dass jenes Ereignis, das dann am Folgetag bei ihm und Emilia wie eine Bombe einschlug, ihn vollauf beschäftigte und ihm kaum Zeit ließ, eingehende Überlegungen anzustellen.
    Denn am Mittwochabend, genau genommen zwischen acht und neun Uhr, fühlte Emilia, die schon seit einigen Tagen sehr angegriffen war, die Wehen einsetzen. Ihrem eigenen Bericht zufolge hatte damit niemand gerechnet, da die Sache erst für den folgenden Monat erwartet wurde; und so glaubte Giovan, der gerade zu Abend aß, vor Ergriffenheit zu ersticken, als Teresina zu ihm rannte und ganz aufgelöst schrie, ihre Herrin stehe kurz vor der Niederkunft.
    Man benachrichtigte Arzt, der sich fast unverzüglich einfand; doch als nun Graf Franz herbeigeholt werden sollte, ging die Frage im Palais von Mund zu Mund, ohne dass irgendein Diener gewusst hätte, an welchem Ort der junge Mann zu finden sei – er war seit acht Tagen nicht mehr aufgetaucht. Man entsandte etliche Lakaien an verschiedene Orte: zunächst zu der Mezzaninwohnung, die der Graf kürzlich in der Rue Taitbout gemietet hatte, um sich, wie er sagte, frei bewegen zu können, dann zum «Cercle impérial», daraufhin zum Klub in der Rue du Helder. Nachts gegen halb eins schließlich antwortete der Gehilfe in einer Spielhölle an den Boulevards, der Herr Graf wie auch Herr Romero seien eine Stunde zuvor auf ein Spielchen in die Rue François-Ier gegangen, zu Frau Lyonnette.
    In der Tat befand sich an diesem Abend bei der neuen Gräfin von Oels – in Wirklichkeit eine geborene Léonilde Chaffaroux, wie das Aufgebot enthüllt hatte – eine recht große Gesellschaft: Halbweltdamen, Tänzerinnen aus der Oper, die Sängerin Flora Van Bloemen, eine Brasilianerin mit ihrem Mann und ein Dutzend junger Leute der feinen Gesellschaft, die sich durch ihren Geist, ihre Verschwendungssucht oder ihre Lasterhaftigkeit auszeichneten. Darunter der junge Herzog Lussan-Biron, der im Alter von neunundzwanzig Jahren starb und nur einen Berg Schulden und dreiundachtzig Maskenballkostüme hinterließ, der rothaarige Schonen, vier oder fünf Bankierssöhne, und keineswegs die ärmsten, der Marquis von Courson, Herr von Poix, Feuillade, der gegenwärtige Verehrer von Lyonnette, der alte Marquis von Vivarens und einige andere.
    Gegen Mitternacht kam Herr von Villalba, ein junger kubanischer Edelmann, der ziemlich reich, neu in der Stadt und ein großer Spieler war. Man umringte ihn sogleich, und nach dem ersten Austausch von Höflichkeiten fragte ihn Lussan-Biron, da er ihn mehrmals im Besucherkreis der Rue de la Paix angetroffen hatte, ob ihm Fortuna gewogen und ob er am Verlieren oder am Gewinnen sei.
    «Am Gerinnen?», fragte Villalba, der schlecht Französisch verstand und es noch schlechter radebrechte; doch als er dann sah, wie all diese jungen Leute trotz ihrer guten Erziehung insgeheim über ihn lachten, entschuldigte er sich sehr höflich, während der Herzog seine Frage wiederholte.
    «Nein! Nein!», fuhr Villalba fort. «Ich habe kein Glück; ich habe gestern zwanzigtausend Franc verloren.» Und da er im selben Augenblick Romero unter den Umstehenden gewahrte, fügte er in

Weitere Kostenlose Bücher