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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: El mir Bourges
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ließ Karl von Este seinen Notar kommen, Maître Arrachequesne, und ein Testament aufsetzen, in dem er unter ausdrücklichem Widerruf und Annullierung seiner früheren Testamente seinen Sohn, Graf Otto, als einzigen und alleinigen Erben einsetzte.
    Niemals schien Giulia Belcredi so schön wie in jenen Tagen. Sosehr sie auch Sorge trug, Bekümmernis vorzutäuschen, war sie, wo sie ging und stand, doch von einer Art herrlichem Strahlen umgeben, das ihre gesamte Person schmückte und sich unweigerlich bemerkbar machte. Otto war geblendet von ihr; und zu allem bereit, da Karl von Este nun im Sterben lag, suchten die Liebenden einander beständig mit Blicken, um mit den Augen einen Hauch der Liebe des anderen zu erhaschen. Der Herzog war zu krank, um auf der Hut zu sein, und seine Bettvorhänge waren öfter zugezogen als geöffnet; doch bewegte sich der Italiener nicht von seinem Lager weg, und so war es eine maßlose und köstliche Qual für die Liebenden, sich vor dem unbequemen Zeugen nichts anmerken zu lassen. Dieser grausame Zustand währte allerdings nur recht kurz. Die Ärzte hatten indessen zahlreiche Aderlässe vorgenommen, und eine Reinigung des Blutes setzte ein, sodass die schwache Hoffnung Ottos und der Belcredi, ihr geplantes Verbrechen vermeiden zu können, ebenso schnell wieder erlosch, wie sie aufgeflackert war.
    Die Rekonvaleszenz des Herzogs nahm immerhin einige Wochen in Anspruch, in denen das große Bett nach und nach an allen möglichen Ecken seiner Suite auf- und abgebaut wurde, denn Karl von Este war argwöhnischer gegenüber Zugluft geworden und übertraf bei der Sorge um seine Gesundheit sogar noch Augusta Linden. Pistolen und Dolche, die er immer in greifbarer Nähe hatte, zeugten von seinen anderen Befürchtungen, die den Jesuiten galten – seinen schlimmsten Feinden, die sich nicht damit begnügten, seine Tochter zu ihrem Glauben bekehrt zu haben, so dachte er, sondern ihm nun auch noch sein Vermögen und gar das Leben nehmen wollten.
    Abgesehen davon war sein Zeitvertreib nicht dazu angetan, seinen Geist auf Hirten- und Schäfergedichte zu richten. Man erinnere sich des abscheulichen Verbrechens, das zu jener Zeit ein Unhold namens Hermann begangen hatte, von dessen schrecklicher Aufdeckung ganz Frankreich widerhallte und das das neuartige Schauspiel von sieben Opfern bot, die ein einziger Mann gleichzeitig hingemetzelt hatte. 157 Dies war die erbauliche Poesie, die sich der Herzog jeden Tag vorlesen ließ und mit lebhaftem Interesse verfolgte.
    «Was für ein Kerl! Was für ein Kerl!», wiederholte er dauernd, während er das dichte Geflecht der Vetiverpflanzen 158 wässern ließ, die vor den Fenstern hingen. Die Verdunstung, die dem Duft der Blumen in den riesigen chinesischen Vasen ein wenig Frische beimengte, verstärkte die angenehme Mattigkeit in dem dunklen und prachtvollen Saal, der eher für die Träumereien eines verliebten Kalifen geschaffen schien als für diesen alten Narren, der sich darin an Schrecknissen und Albträumen weidete. Besonders entzückt war er, als man nach dem Mord an den fünf Kindern der Familie Kinck und der Ehefrau nun zur Vergiftung des Vaters kam, die mittels Blausäure geschehen war. Um das Gift zu bereiten, hatte sich Hermann nämlich ein äußerst raffiniertes Verfahren einfallen lassen, und an dem Tag, als die Gazetten davon berichteten, bat der Herzog die Belcredi, ihm dieses genauestens vorzulesen.
    Der Mörder hatte demnach zwei Destilliergefäße verwendet, das erste mit einer weiten Öffnung und das zweite mit einem langen und engen Flaschenhals. Er hatte sie ineinandergeschoben. Anschließend hatte Hermann mit Hilfe einer einfachen, mit Weingeist gefüllten Lampe in dem großen Gefäß Gelbkali, Schwefelsäure und Wasser destilliert; das kleine Gefäß, dessen Boden mit einem feuchten Lappen ausgelegt war, diente als Auffangbehältnis. Der erfahrene Chemiker erklärte, dies sei das einzige Verfahren, um haltbare Blausäure herzustellen.
    Da blickte die Belcredi Otto in die Augen; und wie zur Antwort sahen nun beide furchterregend auf Karl von Este, der halb ausgestreckt auf seinem mit Gold- und Silberstickereien verzierten Bettzeug lag und mit massiven Goldbarren spielte, mit deren Ankauf aus ganz Europa er sich zu jener Zeit vergnügte. Armes altes gekröntes Kind, ganz verzaubert von seinem Spielzeug sah es nicht, was für eine gefährliche Viper an seinen Rockaufschlägen züngelte. Tatsächlich wurde an diesem Tag, in diesem Augenblick Karl

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