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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: El mir Bourges
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Flure, irrt einige Zeit in der Einsamkeit von Stützbalken und Gipsschutt umher und findet sich dann endlich vor einer Tür mit einer aufgemalten Vierzehn wieder. Er hatte sich den Nachmittag über schon mit einer Reihe nachgemachter Schlüssel versehen, sodass er sich überall Zutritt verschaffen konnte, und schloss sorgfältig hinter sich ab.
    Die ersten hastig in alle Ecken geworfenen Blicke enthüllten Giovan im Licht seiner rußenden Kerze zunächst nur ein großes Bett mit gewundenen Säulen und besticktem Baldachin, das früher Christiane gehört und das sie nach Hans Ulrichs Tod hatte entfernen lassen, sowie ein Durcheinander von Möbeln, überall im Zimmer aufgestapelt, das im Grunde eine Rumpelkammer war. Giovan ging vorsichtig herum, bemerkte aber nichts Verdächtiges in diesem seltsamen Gerümpel, abgesehen davon, dass es dort sogar zwei geflochtene Strohringe gab, wie man sie als Unterlage für Destilliergefäße verwendet. Und der enttäuschte Mann, der sich auf großartige Funde eingestellt hatte, dachte einzig an seinen Rückzug, als am Ende des langen Korridors das Geräusch von Schritten erklang. Zuerst blieb er wie angewurzelt stehen, mit starrem Blick und klopfendem Herzen; dann bläst er rasch seine Kerze aus, drückt den rauchenden Docht zwischen den Fingern und rollt sich geräuschlos unter das riesige Bett, wo er in seinen Ärmel beißt, um nicht zu atmen.
    Unvermittelt öffnete sich die Tür, und Giulia trat ins Zimmer, dicht gefolgt von Otto, der ein brennendes Lämpchen hielt. Die Sängerin trug eine große Porzellanschale randvoll mit kandierten Orangen aus China in beiden Händen; hinter ihrem Ohr steckte eine rote Rose, da sie den Abend beim Herzog verbracht hatte, und die Schleppe ihres mosaikartig mit Silber, Perlen und Edelsteinen bestickten grünen Samtkleids rauschte und schlängelte sich hinter ihr her. Die Belcredi setzte die Schale auf einem Tisch ab, Otto stellte die Lampe daneben. Dann blieben beide einen Augenblick lang schweigend stehen und sahen sich tief in die Augen.
    «Also ist es so weit, morgen … morgen», wiederholte der Junge mit leiser Stimme.
    Sie stimmte mit einem Nicken zu, und Otto begann in bald kleinen, bald größeren Runden in dem Kämmerchen umherzuwandern. In der Zwischenzeit hatte die Belcredi eine Art silbernen Stieltopf auf den Tisch gestellt, offensichtlich eines jener Utensilien, die der Herzog und die Sinclair unlängst zum Kochen verwendet hatten, und mischte nun mit Wasser, Zucker und Orangenblüten wer weiß was für Alchimistereien. Dann stellte sie eine angezündete Spirituslampe darunter, und ziemlich schnell begann es im Stieltopf leise zu brodeln. Otto, der auf der anderen Seite des Tischs stand und die Fäuste auf die Platte gestützt hatte, beobachtete Giulia mit starrem Blick. Draußen war Nacht, wolkenlos und mit großen, funkelnden Sternen.
    «Dichte das Fenster mit dem Teppich ab», sagte Giulia, auf das Ochsenauge deutend, «irgendein Diener könnte sonst Licht sehen.» Aus ihrem Busen zog sie einen kleinen, aus Kristall geschnittenen und über und über mit Gold verzierten Flakon, an dessen goldenem Stöpsel ein silbernes Röhrchen befestigt war, wie man es sich kleiner kaum vorstellen kann, und so fein wie eine Nadel. Von dort fließt Tropfen für Tropfen der kostbare Balsam der Rosenessenz, die aus dem Schaum besteht, den man von den Rosenwasserkanälen in den Gärten des Schahs von Persien abschöpft, wie es heißt, und die dieser Fürst bisweilen als Geschenk an bestimmte Höfe Europas sendet – und in der Tat hatte die Belcredi diesen geleerten Flakon von Großherzog Wladimir erhalten.
    «Aha!», sagte Otto. «Da hinein hast du also …» Und er wagte nicht auszusprechen «das Gift gefüllt».
    Sie trug in ihrem Haar eine recht große Diamantnadel, die sie schweigend herauszog und mit der sie tief in einige der kleinen Orangen hineinstach. Dann träufelte Giulia mittels des langen Flakonschnabels einen Tropfen des tödlichen Gifts ins Herz jeder Frucht und überstrich den Einstich dann mit heißem Zucker aus dem Stieltopf, sodass nach dem Trocknen und Weißwerden dieses dichten Überzugs auch das geübteste Auge die vergifteten Früchte nicht mehr von den guten und bekömmlichen hätte unterscheiden können.
    «Nein!», sagte die Belcredi einen Augenblick später, eine Orange aus der Schale in der Hand. «Diese hier ist zu schön für ihn.» Und nachdem sie davon abgebissen hatte, bot sie sie Otto an. Ihn hingegen hatte der

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