Goetterdaemmerung - Roman
Anblick des Geschenks eines ihrer früheren Liebhaber zweifellos zutiefst verletzt, er zeigte sich verdrießlich und mürrisch und wehrte kühl ab, als Giulia lachend die Orange zu seinem Mund führte. Schließlich ließ sie sie enttäuscht fallen; und den Blick auf ihn geheftet, warf sie sich in seine Arme. Ottos Augen begannen zu leuchten, seine Hände irrten über das nackte Dekolleté seiner Geliebten, er zitterte. Sie zog ihn zu dem großen Bett, unter dem sich der Italiener mehr tot als lebendig versteckte.
Die kleine Lampe brannte, nichts rührte sich in dem engen Zimmer. Von Zeit zu Zeit nur entfuhren der Belcredi abgerissene Worte, wie jemandem, der im Schlaf spricht. Sie erhob ein wenig die Stimme, und der schaudernde Arcangeli verstand den Namen Karl von Este.
«Man wird zwei Taschentücher mitnehmen müssen», sagte die junge Frau träumerisch … «Ich werde gezwungen sein, den Leichnam zu berühren.» Und gleich darauf sagte sie voller Unruhe: «Aber wenn er nun der Länge nach hinstürzt und sich den Schädel an irgendeinem Möbelstück aufschlägt!», denn der Anblick von Blut flößte dieser Locusta 161 Entsetzen ein. Der junge Mann hatte das Gesicht ins Kopfkissen gedrückt, den Arm über dem Kopf, und antwortete nicht, doch plötzlich brach in einer Art bitterem Zorn ein Schluchzen aus ihm hervor …
«Willst du, dass wir sterben?», fragte sie. «Ach!, wie freudig ich sterben würde …!»
Er umklammerte sie, ohne ein einziges Wort zu sagen, ganz erfüllt von einer düsteren Raserei; dann versiegten seine Tränen allmählich, während Giulia ihm nachdenklich mit der Hand durchs Haar fuhr. Endlich verließen die beiden Liebenden das Bett.
Beim Anziehen wechselten sie nur wenige Worte, so verkündete etwa die Belcredi beim Anblick des Flakons, den sie gegen das Licht hielt, bevor sie ihn wieder an ihrem Busen verbarg, dass sie vom Rest mindestens ein gutes Drittel in Karl von Estes Milch schütten werde, sodass kein Zufall ihn retten könne. Schon hielt Otto die Lampe, Giulia ergriff die Porzellanschale, und beide gingen geräuschlos hinaus.
Es dauerte etliche Minuten, in denen nichts Verdächtiges zu hören war, bevor der Italiener wagte, sein Versteck zu verlassen, in dem er hundertmal gemeint hatte, einen Schwächeanfall zu erleiden oder sich zu verraten. Er schüttelte sich, sog die Luft ein, zog seine Schuhe aus; und leiser als eine Katze floh Arcangeli, obwohl ihm die Beine zitterten und sein ganzer Körper bebte, barfuß in sein Zimmer, wo er den Riegel vorschob.
Tausend aufgewühlte Gedanken bestürmten ihn, er empfand tiefsten Schrecken: Giovan sah sich bereits tot, hingemordet neben seinem Meister. Bald wollte er ihn aufwecken, zu ihm laufen, das Komplott enthüllen, und es hätte nur wenig gefehlt, dass er die große Glocke des Palais geläutet hätte; im nächsten Augenblick fiel er wie betäubt auf seinen Stuhl zurück. Als Gipfel seines Verdrusses empfand er plötzlich ein unangenehmes Bedürfnis, zweifelsohne das Ergebnis seiner Furcht; doch befand sich der Abtritt auf dem Flur, und dorthin wollte Giovan nicht gehen, und wenn ihm der Bauch platzte. Doch Bedürfnisse halten sich nicht an Vorschriften. Schließlich war der Unglückliche es leid, dauernd von einem Fuß auf den anderen zu treten, und erleichterte sich vollständig, wo es eben ging und auf Kosten seiner Nase; und so verbrachte er die ganze Nacht mit diesem seltsamen Räucherpfännchen, ohne sich schlafen zu legen oder auch nur daran zu denken. Gegen sechs Uhr morgens schlummerte er aber doch in einem Sessel ein, gebührend bewacht von einem sperrigen Möbelstück, das er vor seine Tür gezerrt hatte, und erwachte erst gegen Mittag.
Voller Entsetzen sprang er auf die Füße und verspürte dennoch wie ein Feigling insgeheim den Wunsch, die Angelegenheit wäre vollbracht worden, während er schlief. Der Italiener lauschte: nicht ein Laut, über den grauen Himmel zogen Wolken, auf dem Dach gurrten Tauben. Plötzlich klopfte es an der Tür. Arcangeli zuckte zusammen und warf furchtsame Blicke nach allen Seiten, dann machte er sich auf, durch die verschlossene Tür zu sprechen. Es war lediglich eine Nachricht von Seiner Hoheit, die ihn im Badezimmer erwartete.
«Ja, ich komme!»
Und kaum war der Diener gegangen, schob Giovan seine Verbarrikadierung beiseite. Als er durch die vielen dunklen Korridore lief, wartete er nur darauf, dass ihm ein Messer in den Rücken gestoßen würde.
Damals erschienen in den Gazetten so
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