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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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in die Handfläche. Sein ganzer Körper bebte. Er bedeckte die Augen mit der rechten Hand und atmete tief ein. Dann entlud sich seine Spannung in ohrenbetäubendem Prusten und Brüllen. Er giggelte, schrie, kreischte, johlte, trommelte mit den Fäusten auf den nicht vorhandenen Boden, hielt sich den Bauch, kippte, mit Tränen in den Augen, hysterisch kichernd rücklings um und lachte. Und lachte und lachte und lachte …
     
    Der große Versammlungssaal von Olympos geriet langsam wieder in die Waagerechte. Farben und Formen trennten sich widerwillig voneinander, um nach kurzem Wabern in exakte Konturen zurückzukriechen, während Athene ihren summenden Schädel sehr, sehr behutsam von der Tischplatte hob und mit zornigen Augen nach ihrem Vater suchte.
    Zeus saß nicht auf seinem Thron.
    Und er saß auch nicht auf einem der anderen Sessel oder auf dem Tisch oder stand irgendwo herum. Er war ganz offensichtlich nicht da.
    Athene setzte sich auf, brachte es nach mehreren misslungenen Versuchen sogar fertig sich hinzustellen und wankte benommen um Apollon und Artemis herum, die noch immer bewusstlos auf der Tischplatte hingen. Wie es schien, hatte sich nicht nur Zeus zurückgezogen. Auch Hermes’ Sessel stand einsam und verlassen hinter der runden Tafel. Athene wankte weiter.
    Als sie den Thron fast erreicht hatte, stieß sie mit dem Fuß gegen ein Hindernis. Sie blieb stehen, sah zu Boden, betrachtete den unter dem Tisch herausragenden Arm und bückte sich.
    Der Arm gehörte zu Zeus. Der Rest des Göttervaters lag rücklings unter dem Tisch und röchelte leise vor sich hin. Nachdem Athene auch Hermes entdeckt hatte, der mit einem Sesselbein im Arm den tiefen Schlaf der Betrunkenen schlief, beugte sie sich über ihren Vater, wurde von der aus dem Göttermaul wehenden Weinfahne fast bewusstlos und wich mit einem angewiderten Ächzen zurück.
    Ihr göttliches Kombinationsvermögen arbeitete schnell und präzise. Dass Zeus und Hermes sich unter den Tisch gesoffen hatten, konnte zweierlei bedeuten. Entweder hatten sie so ihren endgültigen Sieg gefeiert, also den Tod der Auserwählten, oder sie hatten unmittelbar nach der schändlichen Betäubung ihrer Kontrahenten noch ein, zwei Gläschen über den Durst getrunken. Athene kannte ihren Vater, und das ließ sie hoffen.
    Bevor sie jedoch irgendwelche folgenschweren Entschlüsse fassen oder ihren berechtigten Zorn an dem Betrunkenen auslassen konnte, drang ein lautes, aus vielen Kehlen schallendes «Nein!» an ihre Ohren. Noch immer etwas benommen, durchquerte sie den Raum, sah hinaus in die grüne Senke und entdeckte den kleinen, hässlichen Asen, der offenbar gerade im Begriff war, eine stattliche Anzahl ihrer göttlichen Nachbarn auf seine Seite zu ziehen.
    Athene schloss sekundenlang die Augen.
    Als sie sie wieder aufschlug, hatte sich ihr Antlitz verändert; verwandelt in eine furchterregende Sturmlandschaft aus feinen Muskeln und Sehnen, ein Land, gewachsen aus blankem Zorn. Über eisgraue, schroffe Täler und Hügel wirbelten, zornigen Fäusten gleich, finstere Gewitterwolken, willens, jeden mit Urgewalt emporzuheben und zu zerschmettern, der ihrer grenzenlosen Wut die Stirn zu bieten wagte; wogende Elemente, einem erzürnten, jedes Maß und jede Vorstellung unbarmherzig zu Staub zertrümmernden Geiste entspringend, alles mitreißend in einem Antlitz, dem Mitleid und Gnade, Güte und Vergeben fremdere Empfindungen waren als dem Berge aus Granit der Menschen Schmerz um die erste verlorene Liebe.
    Kurz gesagt: Athene war wirklich extrem wütend, und das sah man ihr auch an.
    Sie wandte sich ab, stampfte zurück zum Tisch und unternahm einen vergeblichen Versuch, Apollon und Artemis aus ihrer tiefen Bewusstlosigkeit zu reißen. Dann konzentrierte sie sich auf die Auserwählten und fühlte, dass sowohl Gwydiot als auch Cameron, Erasmus und Diana am Leben und auf dem Weg zum Steinkreis waren. Sie spürte Thors Präsenz in der Nähe des Paares aus dem zwanzigsten Jahrhundert christlicher Zeitrechnung und hörte das Göttervolk in der Senke frenetisch applaudieren.
    Athene wusste, dass von allen Seiten Gefahr drohte. Sie wusste aber auch, dass die größte Gefahr von jenem Gott ausging, der gerade bemerkte, dass man ihn hereingelegt hatte. Tief in ihrem göttlichen Gehirn registrierte sie, dass der Ase mit dem Hammer umkehrte.
    Sie setzte ihren Helm auf, bewaffnete sich eilends mit Lanze und Messer und verschwand unter zornigem Zischen aus dem Sitzungssaal von Olympos.
    Das

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