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Götterfall

Götterfall

Titel: Götterfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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will diese beschissene Justiz in diesem Land mir noch alles …« Und so weiter.
    Einen Vorteil hatte seine ausufernde Tirade, Wencke konnte gegen die Müdigkeit kämpfen und sich einigermaßen ordnen. Als er fertig war, sagte sie: »Wir kennen uns, Frankie. Ich bin’s, Wencke.«
    Einen Moment schwiegen beide.
    »Darf ich fragen, was das Ganze soll?«, brachte er schließlich hervor, etwas abgekühlter, wie Wencke fand.
    »Hör zu, ich werde dir das Ticket heute am Flugplatz geben, ich bin pünktlich da, versprochen!«
    »Was zum Teufel willst du von mir?«
    Nein, sie würde sich um diese Uhrzeit und unter diesen denkbar miesen Umständen keinesfalls auf ein Gespräch mit Götze einlassen, das war viel zu gefährlich. Dazu wusste sie einfach zu wenig über die Geschichte von damals, vielleicht hatte sie all die Jahre die Dimensionen des Mordes überhaupt nicht begriffen.
    Irgendwann zwischen Mitternacht und einem wirren Traum, in dem sie wieder Schülerin in Bad Iburg war und durch einen Dschungel kriechen musste, hatte Wencke den Entschluss gefasst, heute noch vor dem Abflug zum Osnabrücker Polizeiarchiv zu fahren. Wenn sie erst einmal Akteneinsicht genommen hatte, würde sie Götze souveräner gegenübertreten können.
    »Hallo? Bist du noch dran?«, rief er sich in Erinnerung. »Ich hatte zwanzig lange Jahre Zeit, mich mit meinen Bürgerrechten zu beschäftigen, und ich weiß, dass es absolute Scheiße ist, wenn Behörden sich in Wohnungen schleichen und harmlose Personen ausspionieren.«
    »Dann sehen wir die Sache doch einfach als Privatbesuch.«
    »Meine Vermieterin hat behauptet, du kämst vom LKA.«
    »Ich habe sie beschwindelt, mein Interesse war eher persönlicher Natur. Du kannst das gern meiner Dienststelle melden, wenn dir danach ist.« Zum Glück konnte sich Wencke hundertprozentig sicher sein, dass er sich das verkneifen würde. »Eigentlich wollte ich dich besuchen, Frankie. Du kannst dir denken, warum.«
    »Wenn ich ehrlich bin, nein, kann ich nicht«, brummte er. »Im Knast hätte ich mich ja gefreut, die eine oder andere bekannte Visage zu sehen, aber jetzt in Freiheit muss ich das nicht haben.«
    »Es gibt einiges zu besprechen. Treffen wir uns doch zwei Stunden vor Abflug am Check-in-Schalter, okay?« Dann legte sie auf und stellte das Handy ab, erleichtert, ihn abgewimmelt zu haben, gleichzeitig graute ihr vor der Begegnung am Flughafen.
    Sie quälte sich aus dem Bett, war hellwach und gleichzeitig zum Sterben müde.
    Als sie in den Flur trat, saß Emil bereits in der hell erleuchteten Küche mit einem Nutellatoast bei seiner Oma Isa auf dem Schoß.
    »Du bist ja schon fertig für die Schule!«, begrüßte Wencke ihren Sohn und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
    »Wir üben noch schnell für Englisch. Gleich schreiben wir einen Grammatiktest.« Emil und Wencke hatten zwei Jahre in Amerika gelebt, weswegen er hier in Hannover die internationale Schule besuchte und inzwischen weit besser Englisch sprach als seine Oma. Fragte sich also, wer hier mit wem übte. »My mother goes to Iceland. My mother went to Iceland. My mother will go to Iceland.« Er grinste und zeigte die Nusscreme auf seinen Schneidezähnen.
    »Ich werde schon heute Nachmittag Richtung Flughafen fahren. Wenn du aus der Schule kommst, bin ich also nicht mehr zu Hause. Ist das okay?«
    Emil nickte gelassen.
    »Island ist ein aufregendes Land«, seufzte Isa. »Ganz viel Energie und so.«
    »Meines Wissens bist du noch nie dort gewesen.« Wencke legte ihren Rucksack auf den Küchentisch und begann ihn auszumisten.
    Isa schien eingeschnappt zu sein, sie hasste es, als Provinzei entlarvt zu werden. Alles, was Wenckes Mutter von der Welt gesehen hatte, waren Worpswede und die Toskana, wo sie einmal im Jahr bei Freunden unterkam, die ihre brotlose Kunst ebenfalls damit finanzierten, kitschige Töpferware an Touristen zu verkaufen.
    »Ein Exfreund von mir lebt in Island«, rückte sie schließlich mit der Sprache raus. »Wenn du ihn besuchst, dann grüß ihn lieb von mir.«
    »Warum sollte ich deinen Exfreund besuchen wollen? Ich bin rein beruflich unterwegs.«
    Selbst Emil wurde das Thema zu blöd und er rutschte von Isas Knien. »Ich muss mich noch anziehen, Zähne putzen und meinen Ranzen packen.« Na bitte, bei so viel freiwilliger Vernunfteines Zehnjährigen sollte selbst Isa kapieren, dass sie ihre Männergeschichten besser woanders zum Besten gab.
    Aber nix da: »Die Isländer haben ja meistens mehrere Berufe auf einmal, die

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