Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
größerer Vorsicht riet, lag Phanes von Halikarnassos doch sehr daran, sich häufig auf den Übungsplätzen sehen zu lassen. Unter seinem Kommando kam es nicht in Frage, sich vor den militärischen Verpflichtungen zu drücken.
Nachdem er wusste, dass die Ägypter wenig Sinn für kriegerische Betätigung zeigten, hatte König Amasis die Verteidigung der Zwei Länder Männern aus Griechenland anvertraut. Mögliche Angreifer, wie zum Beispiel die Perser, kannten die Entschlossenheit von Phanes und die Einsatzbereitschaft seiner Soldaten. Zu den Bodentruppen und der Reiterei war – dank der unermüdlichen Anstrengungen von Wesir Udja – mittlerweile auch noch eine eindrucksvolle Kriegsflotte hinzugekommen.
Phanes von Halikarnassos schätzte die abschreckende Wirkung seiner Streitkräfte, legte aber Wert darauf, dass sie ständig weiterentwickelt wurden und vor allem immer einsatzbereit waren. Schon das kleinste Nachlassen konnte furchtbare Folgen haben. Die Ermordung der Übersetzer und die Flucht des Schreibers Kel, der als Mörder und mutmaßlicher Verschwörer gesucht wurde, waren schließlich tatsächliche Bedrohung genug. Außerdem gab es noch das bedauerliche Verschwinden des Helms von Amasis, dem Sinnbild seiner Machtergreifung. Zwar war der Feldherr überzeugt, dass kein Offizier die Absicht oder die Möglichkeit hatte, den Thron des Pharaos zu stürzen und einen Volksaufstand auszulösen. Trotzdem blieb er wachsam und jederzeit bereit, dem ersten Aufrührer, der sich zeigen sollte, den Hals durchzuschneiden.
Der Aufenthalt in Memphis erlaubte ihm, die große Kaserne in der Handelshauptstadt des Landes von Grund auf zu überprüfen und verschiedene Schlampereien zu beseitigen. Nebenbei entwickelte Phanes auch gleich noch, zusammen mit seinen Admirälen, einen Verteidigungsplan für die Stadt.
Als er gerade den Bogenschützen bei ihren Übungen zusah, kam ein Schreiber und forderte ihn auf, ihn sofort zum königlichen Palast zu begleiten. Dort wurde er vom Siegelbewahrer Udja empfangen, der ein ernstes Gesicht machte.
»Der König ist verschwunden. Versetzt Eure Leute in Bereitschaft.«
»Verschwunden … Wie ist das möglich?«
»Er scheint heute Nacht sein Zimmer verlassen zu haben. Als die Königin am Morgen nach ihm sehen wollte, war er nicht mehr da.«
»Haben die Wachen nichts bemerkt?«
»Keiner hat ihn gesehen.«
»Das ist doch nicht möglich! Ich will sie noch mal selbst befragen.«
»Wie Ihr wollt, General.«
»Meine besten Soldaten sollen Memphis von vorn bis hinten durchsuchen. Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
Udja ging zu Königin Tanit, die völlig außer sich war.
»Habt Ihr etwas Neues erfahren?«
»Nein, Majestät, leider noch nicht. Wachtruppen und Soldaten machen sich jetzt aber auf die Suche.«
»Habt Ihr auch schon den Palast durchsucht?«
»Ich verspreche Euch, wir werden nichts übersehen.«
Henat unterbrach die beiden.
»Endlich gibt es einen glaubwürdigen Zeugen! Ein Gärtner hat den König gesehen – er war allein und ging durch die Tamariskenallee zum Kanal.«
Udja, Henat, die Pharaonin und ein ganzer Trupp bewaffneter Männer liefen ebenfalls diesen Weg.
Der Wachmann an der Anlegestelle schlief noch, aber der Siegelbewahrer weckte ihn unsanft.
»War Seine Majestät, der Pharao, hier?«
»Das weiß ich nicht … Da müsst Ihr meinen Vorgesetzten fragen.«
Der Mann war gerade dabei, eines der königlichen Vergnügungsschiffe zu reinigen, mit denen der Hof erholsame Ausfahrten auf dem Nil zu machen pflegte.
»Der König? Ja, er ist heute schon sehr früh ausgefahren.«
»Wie viele Männer hatte er bei sich?«
»Er hatte nur ein paar junge Mädchen bei sich, die ein bisschen frech waren. Und ich musste Seine Majestät noch mit einem Dutzend Krügen mit kräftigem Wein versorgen. Aber seht selbst, da kommt das Schiff gerade zurück.«
Erstaunlich geschickt legte die weibliche Besatzung an.
Udja ging sofort an Bord.
»Befindet sich der König auf diesem Schiff?«
»Ja, in der Kabine«, antwortete eine schöne dunkelhaarige Frau.
Der Wesir stieß die Tür auf.
»Was machst du denn hier?«, rief Amasis erschrocken.
»Majestät, wir haben uns große Sorgen gemacht!«
»Darf ich mir nicht auch einmal ein wenig Unterhaltung gönnen? Oh, wie entsetzlich!«
Der Pharao hielt sich den Kopf mit beiden Händen.
»Ich habe furchtbare Kopfschmerzen … Weil ich zu viel getrunken habe und zu starken Wein. Die Mädchen waren jedenfalls zufrieden. Und sie
Weitere Kostenlose Bücher