Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
danke dir für deinen Mut«, sagte Nitis.
Der Schauspieler war so gerührt, dass er keinen Ton herausbrachte.
Der Mann sah ziemlich verdreckt aus.
»Ich hab Durst«, brummte er.
»Der Brunnen gehört mir nicht«, gab Kel zurück. »Trink so viel du magst.«
Während der Mann seinen Durst stillte, sah er Kel verstohlen an. Nitis und Nordwind ruhten sich im Schatten einer Tamariske aus.
»Bist du von hier?«
Der Schreiber nickte.
»Dann kennst du auch das Dorf Zu den drei Palmen?«
»Da komme ich gerade her.«
»Und den Sandalenmacher, kennst du den auch?«
»Ich war bei seiner Verhaftung dabei.«
Der Mann trat einen Schritt zurück.
»Dann bist du also einer von den Ordnungshütern?«
»Ich würde jedenfalls gern wissen, warum du all diese Fragen stellst. Bist du vielleicht zufällig ein Freund von den flüchtigen Verbrechern?«
»Nein, nein, ganz bestimmt nicht. Ich bin einer von den Gärtnern, die das Tamariskental pflegen, und die Wachtruppen wollten, dass ich ihnen jedes neue Gesicht und jeden Verdächtigen melde.«
»Sei weiter so wachsam, das zahlt sich bestimmt für dich aus.«
»Du kannst dich auf mich verlassen!«, verabschiedete sich der Gärtner.
»Wir müssen hier eigentlich weg«, sagte Kel zu Nitis, »aber wenn Bebon uns nicht findet, denkt er, wir seien verhaftet worden. Außerdem könnten uns auch andere Spitzel entdecken. Und meine kleine Vorführung ist wahrscheinlich nicht immer so erfolgreich.«
»Uns bleibt nichts anderes übrig, als zu warten«, meinte Nitis.
»Was, wenn Bebon selbst verhaftet worden ist?«
»Mögen uns die Götter weiter beschützen.«
Nordwind war ganz friedlich, offenbar drohte ihnen keine Gefahr. Als es Nacht wurde, stand er plötzlich auf, richtete die Ohren auf und meldete seinen Freunden einen Besucher.
Jemand kam angelaufen.
»Bebon!«
»Wir sind gerettet. Ich konnte den Oberritualisten sprechen und habe ihm alles erzählt.«
»Das war aber sehr gefährlich!«, meinte Kel. »Er hätte dich ins Gefängnis bringen können.«
»Dieser Priester ist viel zu klug, als dass er das dumme Geschwätz der anderen glauben würde.«
Zu viert machten sie sich auf den Weg zum großen Tempel von Thot, dem Meister des Wissens und Schutzherrn der Schreiber. Kel hatte immer davon geträumt, eines Tages hierherzukommen und vielleicht sogar im Tempel zu arbeiten – aber unter vollkommen anderen Umständen.
Bebon führte die drei in ein Nebengebäude, in dem eine Bibliothek, ein Speisesaal, ein Vorratsraum für heilige Schalen, eine Werkstatt und ein Stall untergebracht waren.
Der Oberritualist hatte einen kahl rasierten Schädel, trug ein fleckenlos weißes Gewand und war wohlgenährt; er empfing seine Gäste vor seiner kleinen Wohnung.
»Du bist also Nitis, von der mir mein lieber Freund, der verstorbene Hohepriester der Neith, so viel erzählt hat.«
Die junge Frau verneigte sich vor ihm.
»Über Euch hat er in seinen Briefen am meisten geschrieben. Er betrachtete Euch als seine geistige Tochter und wollte, dass Ihr seine Nachfolge antretet. Dann gab es ernste Zwischenfälle, und er fürchtete, es könnte zu einem unheilvollen Einschreiten der Obrigkeit kommen. Schon damals hat er mich gebeten, Euch zu helfen, wenn nötig. Ich schätze mich glücklich, mein Versprechen heute einlösen zu können.«
Dann sah der Ritualist Kel lange an.
»Und das hier soll der schreckliche Mörder sein, nach dem im ganzen Königreich gesucht wird.«
»Er ist unschuldig«, beteuerte Nitis.
»Bebons Erklärungen haben mich überzeugt, und Eure Aussage für ihn bestärkt mich noch in meiner Meinung. Ihr seid in eine Geschichte verwickelt, die sich auf höchster Ebene abspielt, und es wird alles andere als einfach sein, die Wahrheit herauszufinden. Die Gottesdienerin ist die Einzige, die dazu in der Lage ist. Dieses Haus hier wird nächste Woche umgebaut; da könnt Ihr Euch ein paar Tage ausruhen. Bebon spielt den Stallknecht, und Nitis und Kel sind Priester, die vorübergehend in meinen Diensten stehen. Ich werde versuchen, ein Schiff zu finden, das Euch nach Theben mitnimmt.«
»Wir sind Euch unendlich dankbar«, sagte Nitis.
»Darf ich Euch trotzdem noch um einen Gefallen bitten?«
»Ich höre.«
»Dürfen wir in der Bibliothek arbeiten? Vielleicht entdecken wir dort etwas, womit wir dem Geheimnis einer verschlüsselten Schrift auf die Spur kommen, die Auslöser dieser ganzen schrecklichen Geschichte ist.«
»Einverstanden. Aber sprecht so wenig wie möglich mit den
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