Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
beschäftigt, der Schreiber, der für die Tiere verantwortlich war, schwätzte stundenlang, und der Schiffsaufseher konnte Wichtiges nicht von Unwichtigem unterscheiden.
Chechonq verbrachte einen Großteil seiner Zeit damit, Fehler auszubügeln und Streit beizulegen. Dennoch – seine Untergebenen mochten ihre Arbeit und zählten nicht die Stunden. Bei den allwöchentlichen Zusammenkünften gelang es dem Haushofmeister dann auch meistens, einzelne Unstimmigkeiten zugunsten der Allgemeinheit zu bereinigen. Er konnte sehr gut zuhören und bevorzugte niemand. Für sein anständiges und gerechtes Auftreten zollten ihm die Schreiber Anerkennung und schenkten ihm ihr Vertrauen.
So wie bereits die vorhergehenden Tage, kündigte sich auch dieser Tag als lang und anstrengend an. Chechonq ging von einem Arbeitszimmer ins nächste, löschte Brände und sorgte für Eintracht. Der Tempel würde wegen der menschlichen Unzulänglichkeit nicht zugrunde gehen, der Gottesdienst war gesichert. Zu dieser gewohnten Arbeit kam nun noch der äußerst schwierige Umgang mit Henat hinzu. Nach Auskunft des Leibarztes der Gottesdienerin war er ihnen auf den Leim gegangen. Aber vielleicht tat dieser gerissene Mann auch nur so, als ob er dieser entscheidenden Zeugenaussage Glauben schenkte.
Chechonq machte sich auf den Weg zu dem schönen Haus, in dem der Palastverwalter untergebracht war, und das streng bewacht wurde. Der Haushofmeister lobte die Männer für ihre Wachsamkeit und ließ Henat seinen Besuch melden.
Das Haus besaß wirklich viel Anmut. Beim Betrachten der Wandmalereien, auf denen Wiesen voller Kornblumen zu sehen waren, über denen Lerchen schwebten – wahren Meisterwerken –, konnte man tatsächlich leicht die Schwierigkeiten dieser Welt vergessen.
Henat erschien und fragte ohne Umschweife: »Hat die Gottesdienerin nun endlich meine Anfrage beantwortet, Haushofmeister?«
»Leider nein. Und auch ich habe keine Antwort bekommen. Auch ohne die erforderlichen Anweisungen muss ich nun die Spannungen zwischen den Schreibern glätten, die für die verschiedenen Verwaltungsbereiche zuständig sind. Das ist eine echte Herausforderung!«
Henat verkniff sich ein Lächeln. Dieses Geständnis passte genau zu dem Bericht, den ihm sein Verbindungsmann gegeben hatte. Dem Haushofmeister waren die Hände gebunden, und er musste sich damit begnügen, die laufenden Geschäfte zu erledigen, während er auf den Tod der betagten Priesterin wartete, die niemand mehr empfing, nicht einmal mehr Chechonq.
»Ich bedaure zutiefst, dass wir dieser traurigen Entwicklung ins Auge sehen müssen, aber … Wie ist denn ihre Nachfolge geregelt?«
»Die Gottesdienerin wählt sich eine geistige Tochter, mit der sie sich den Thron teilt, um sie auszubilden. Wenn ihre Mutter stirbt, übernimmt sie dann sämtliche rituellen Pflichten.«
»Hat sie diese Wahl bereits getroffen?«
»Noch nicht in aller Form. Aber Ihre Majestät hat kein Geheimnis aus ihrer Entscheidung gemacht. Sie möchte eine junge Priesterin zur Tochter nehmen, die den heiligen Wissenschaften sehr zugetan ist. Sie heißt Nitokris.«
Dieser brave Haushofmeister verschweigt mir tatsächlich nichts, dachte sich Henat zufrieden.
Diese Auskunft hatte er nämlich bereits von seinem Verbindungsmann erhalten. Die junge Nitokris war noch sehr schüchtern, lebte zurückgezogen in Karnak und hatte bei Weitem nicht die Ausstrahlung der jetzigen Amtsinhaberin.
Als Henat an Kel dachte, musste er unwillkürlich lachen. So viel Mühen und Gefahren – und alles umsonst! Selbst wenn es ihm gelungen wäre, bis zur Gottesdienerin vorzudringen, hätte er nur eine Sterbende zu Gesicht bekommen, die ihm nicht mehr helfen konnte.
»Ich habe ein Festmahl zu Euren Ehren vorbereitet«, sagte Chechonq herzlich. »Die Beamten, die für die Tempel am Westufer des Nils verantwortlich sind, werden Euch Gesellschaft leisten und können es kaum erwarten, Euch kennen zu lernen.«
»Es tut mir sehr leid, wenn ich sie enttäuschen muss. Aber an dieser Vergnügung nehme ich nicht teil.«
Der Haushofmeister machte ein zerknirschtes Gesicht.
»Habe ich Euch denn beleidigt, habe ich einen schweren Fehler begangen, habe ich …«
»Nein, seid unbesorgt, Haushofmeister! Ihr habt nichts damit zu tun, und ich danke Euch für den herzlichen Empfang, den Ihr mir in Theben bereitet habt. Ich werde dem Herrscher davon berichten und wünsche Euch, dass Ihr in Eurem Amt bestätigt werdet. Die zukünftige Gottesdienerin wird
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