Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
Eure Erfahrung brauchen. Macht nur weiter so und verwaltet die schöne Provinz Theben wie bisher.«
»Ich werde mich bemühen«, versicherte Chechonq, »aber Eure Absage …«
»Hat eine ganz einfache Erklärung: Ich fahre zurück nach Sais. Es hat mir hier sehr gut gefallen, und ich habe Eure Gastfreundschaft genossen. Da ich mir aber nicht gewaltsam Zutritt zu den Gemächern einer Sterbenden verschaffen will, kehre ich lieber zurück in mein Arbeitszimmer und zu den vielen Aufgaben, die dort auf mich warten.«
»Wenn Ihr wünscht, könnte ich noch einen allerletzten Versuch unternehmen und …«
»Nicht nötig«, fiel ihm Henat ins Wort. »Teilt mir bitte rechtzeitig mit, wann die Beerdigung stattfindet. Ein Gesandter des Pharaos wird Euch dann zur Seite stehen.«
»Darf ich es wagen, Euch um einen Gefallen zu bitten?«
»Nur zu, Haushofmeister.«
»Würdet Ihr so freundlich sein und dem Pharao meine bedingungslose Ergebenheit versichern?«
»Das werde ich auf jeden Fall tun.«
Chechonq, der wahre Herr über die Provinz Theben, buckelte wie ein Schilfrohr im Wind. Ach, wie beruhigend und angenehm! Nur zu dumm, dass der geschickte Würdenträger auf eine Beförderung hoffte, die er nicht bekommen sollte. Am Hof von Sais hätte man keine Verwendung für ihn. Hier aber konnte er die Geschicke zum Vorteil von Amasis lenken.
»Darf sich Theben darauf freuen, Euch eines Tages wiederzusehen?«
»Das wissen die Götter«, gab Henat zur Antwort.
Und dann kümmerte sich der Haushofmeister selbst darum, dass die Abreise des königlichen Palastverwalters möglichst angenehm für ihn verlief. Als er schließlich zusah, wie das Schiff von Henat den Hafen von Karnak verließ, war er glücklich darüber, dass er das Vorhaben der Gottesdienerin ausgeführt hatte.
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A m Ausgang des Kanals, der zur Anlegestelle des Tempels von Karnak führt, begegnete Henat einem anderen Schiff voller Soldaten – und am Heck, unter einem Sonnensegel, saß Richter Gem! Als die beiden Schiffe aneinander vorbeiglitten, sprach Henat den Richter an.
Die Kapitäne legten längs an, und die beiden Männer zogen sich in Gems Kabine zurück.
»Ihr verlasst Theben schon wieder, Henat?«
»Ja.«
»Hat Euch denn die Gottesdienerin ihre Unterstützung zugesagt?«
»Ich habe sie überhaupt nicht gesehen.«
»Soll das ein Scherz sein?«
»Nein, durchaus nicht. Ich weiß, dass sie schwer krank ist und im Sterben liegt. Sie empfängt nicht einmal mehr ihren Haushofmeister und kann keinem mehr behilflich sein. Deshalb fahre ich jetzt nach Sais zurück – was Ihr im Übrigen auch tun solltet.«
»Ihr habt mir nichts vorzuschreiben, Henat. Ich führe meine Untersuchungen so, wie ich es für richtig halte.«
»Die sich aber ziemlich hinziehen.«
»So, meint Ihr?«
Der spöttische Blick des Richters gefiel Henat nicht.
»Vergesst nicht, wozu Ihr verpflichtet seid, Gem: Ihr sollt mir alles mitteilen, was Ihr in Erfahrung bringt.«
»Habt Ihr etwa nicht die gleichen Verpflichtungen? Ich habe aber nicht das Gefühl, dass Ihr Euch daran haltet.«
»Eure Gefühle kümmern mich nicht.«
»Eines der wichtigsten Ergebnisse meiner Untersuchung dürfte dagegen Eure Begeisterung finden.«
»Wollt Ihr es mir nicht verraten?«
»Immer mit der Ruhe. Erst einmal will ich von Euch wissen, was Ihr in Theben über den Schreiber Kel und seine Leute erfahren habt.«
»Rein gar nichts.«
»Und das soll ich Euch glauben?«
»Wenn der Mörder gefunden worden wäre, hätte ich es über meine Verbindungen erfahren.«
Der Richter schien endlich überzeugt.
»Ich habe die Verschwörerbande enthauptet«, sagte er.
»Ihr habt Kel festgenommen?«
»Der Anführer der Bande wurde getötet.«
»Der Anführer?«
»Ja, unser Schatzmeister, der Verräter Pef. Er hat den Verbrechern in seinem Haus in Abydos Unterschlupf gewährt und ihnen dann zur Flucht verholfen. Der Kommandant der griechischen Söldner hat ihn mit seiner Lanze durchbohrt. Da er auf eigene Faust gehandelt hat, wird er dafür bestraft werden.«
Henat war erstaunt, wie nüchtern ihm diese Neuigkeiten geliefert wurden.
»Ich habe Seine Majestät bereits unterrichtet«, fuhr der Richter fort. »Der Pharao weiß also, dass ich entscheidende Fortschritte gemacht habe. Minister Pef hat die Verbrecherbande, die der Schreiber Kel anführt, gebraucht, weil er die Macht an sich reißen wollte.«
»Lebt dieser Kel noch immer?«
»Vermutlich nicht. Ein Unwetter hat ihn und seine wichtigsten
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