Götterschild
gleich ins Wasser werfen.«
Der Kapitän zuckte ein wenig enttäuscht die Schultern. »Dann nich’. Ich dacht’ nu’, weil seeh nich’ weiß, wo se hinwill. Hie’ gibt’s wenigste’ keine Säbelschwinge’. Zumindest keine abgerichtete’.« Er machte kehrt und schlurfte wieder in den hinteren Teil des Schiffes und die Treppe zum Achterdeck hinauf.
Rai hatte nicht wirklich verstanden, was der kauzige Seebär ihnen eigentlich zu sagen versuchte, und Selira machte einen noch verwirrteren Eindruck als er selbst. Daher wandte er sich hilfesuchend an Meatril, der das Gespräch mit angehört hatte:
»Hast du eine Ahnung, was er mit ›Land der verfluchten Säbelschwinger‹ meint? Eringar war doch aus Etecrar – hat er mal von etwas Derartigem berichtet?«
Bei der Erwähnung des jüngsten Ecorimkämpfers presste Meatril für einen kurzen Augenblick die Lippen aufeinander. »Nein, ich kann mich nicht erinnern, dass er etwas von irgendwelchen Säbelkämpfern erzählt hätte«, rang er sich dennoch zu einer Antwort durch. »Soweit ich gehört habe, ist die traditionelle Waffe der Etecrari ein beidhändig geführter Hakenspeer, der ›Krad‹. Ansonsten kämpfen sie mit dem Schwert.«
Rai runzelte nachdenklich die Stirn. »Der Kapitän hätte Selira am liebsten gleich hier in diesem unbelebten Waldstück abgesetzt. Er scheint irgendwie Bedenken zu haben, dichter besiedelte Gegenden anzulaufen. Ist Etecrar denn ein so kriegerisches Reich?«
»Ich glaube, von einem einheitlichen Reich kann man hier nicht sprechen«, entgegnete Meatril. »Nach dem, was Eringar erzählt hat, gibt es zahllose einflussreiche Handelsfürsten, die die Macht unter sich aufteilen. Ständig wird um Besitz und Einfluss gerungen. Das geschieht wohl zum Teil in rituellen Zweikämpfen zwischen den Oberhäuptern einzelner Handelshäuser, aber durchaus auch zwischen den Gefolgsleuten. Die Etecrari sind so sehr mit ihren internen Streitigkeiten beschäftigt, dass Außenstehende eigentlich nichts zu befürchten haben. Zumindest ist mir nicht bekannt, dass sie schon einmal ein anderes Land angegriffen hätten.« Er sah Selira an. »In welche Stadt sollen wir dich denn nun bringen?«
Rai beobachtete gespannt, wie die junge Xelitin auf diese Frage reagieren würde, denn er war sich immer noch recht sicher, dass sie keine Ahnung hatte, wo ihr Heimatort lag.
»Ihr könnt mich in der nächsten größeren Stadt absetzen«, antwortete Selira, ohne zu zögern.
»Also gut«, meinte Meatril und nickte. »Dann sage ich dem Kapitän Bescheid.« Damit kehrte er ihnen den Rücken und ging Richtung Achterdeck. Da Targ und Belena bereits wieder ihre Quartiere unter Deck aufgesucht hatten, standen Rai und Selira nun allein am Bug des Schiffes.
Rai rang innerlich mit sich, ob er Selira nach dem genauen Standort ihres Dorfes befragen oder einfach schweigen sollte. Einerseits würde sie es sicherlich als Bloßstellung empfinden, wenn er so lange nachbohrte, bis sie zugeben musste, dass sie die Antwort nicht wusste. Andererseits wollte er sie aber auch nicht einfach so ins Verderben ziehen lassen – denn genau als das betrachtete Rai ihren Versuch, auf eigene Faust und mit nur geringen Kenntnissen über Land und Leute ihr einstiges Zuhause wieder zu finden.
»Weißt du denn«, fragte er vorsichtig, »welche Stadt wir von hier aus als Nächstes erreichen werden?«
Selira schien mit ihren Gedanken ganz weit fort zu sein. Nur zögernd antwortete sie: »Na ja, den Namen weiß ich nicht mehr.«
»Aber du kennst die Stadt? Ich meine, du kannst dich daran erinnern, schon einmal dort gewesen zu sein?«, forschte Rai weiter.
»Nein, das auch nicht«, erwiderte sie knapp.
»Aber«, Rai versuchte so behutsam wie möglich vorzugehen, »wenn du gar nicht weißt, welche Stadt wir als Nächstes anlaufen werden, wie kannst du dann wissen, dass dein Dorf hier in der Nähe ist?«
Ihr Gesicht verdüsterte sich merklich und Rai bereitete sich schon auf einen weiteren Wutausbruch vor. Der blieb aber überraschenderweise aus.
»Das habe ich ja nie behauptet«, gab sie stattdessen zur Antwort und bemühte sich, dabei möglichst selbstsicher zu klingen. »Aber in der Stadt wird schon irgendwer den Namen meines Dorfes einmal gehört haben und dann kann er mir den Weg dorthin beschreiben. Hauptsache, es sind genügend Leute dort, die ich fragen kann.«
Rai blieb vor Staunen der Mund offen stehen.
»Du brauchst gar nicht so zu gucken«, zischte sie erbost. »Ich weiß, dass Etecrar
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