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Götterschild

Titel: Götterschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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Schwingen ab. Ein kräftiger Luftzug war alles, was sie von dem vorbeifliegenden Koloss spüren konnten. Die Kreatur rauschte haarscharf am Schiff vorbei und schwang sich dann wieder mit einigen kraftvollen Flügelschlägen in die Höhe, wo sie einen weiten Kreis über Stadt und Hafenbecken zu ziehen begann.
    Während Rai und Selira dem monströsen Flugwesen entsetzt hinterher schauten, hörten sie vom Achterdeck das spöttische Gelächter des Kapitäns.
    »Hat euch de’ Begrüßung de’ Säbelschwinge’ nich’ gefall’n? Kein’ Angst, an Deck seid ih’ siehe’, nu’ im Mastkorb kann’s brenzlig wer’n.«
    Rai blinzelte verständnislos, konnte aber auch weiterhin seinen Blick nicht von der kreisenden Schreckensgestalt über ihren Köpfen abwenden. Die Spannweite der Kreatur betrug sicherlich mehr als vier Schritt und der Körper zwischen den sichelförmig gekrümmten Flughäuten hatte beinahe die Länge eines ausgewachsenen Menschen. Mit seiner spitzen Hundeschnauze, den blitzenden Zahnreihen darin, den übergroßen trichterförmigen Ohrmuscheln und dem glänzenden, pechschwarzen Fell schien das Wesen geradewegs aus einem schauderhaften Albtraum entsprungen zu sein.
    » Säbelschwingen’, nicht ›Säbelschwinger‹ «, murmelte Selira.
    »Was?«, fragte Rai verwirrt.
    »Als der Kapitän vor ein paar Tagen von diesem Teil Etecrars gesprochen hat«, erklärte sie, »da dachten wir wegen seiner undeutlichen Aussprache alle, er redet vom ›Land der verfluchten Säbelschwinger‹. In Wahrheit meinte er aber ›Säbelschwingen‹, so nennt er diese fliegenden Bestien, von denen uns eine gerade beinahe gerammt hat.«
    »Aber wieso wusstest du das denn nicht?«, verlangte Rai zu erfahren. »Das ist immerhin dein Heimatland und solche Kreaturen vergisst man doch nicht einfach!«
    »In meinem Dorf gab es solche Tiere nicht«, verteidigte sich Selira, der Rais tadelnder Tonfall keineswegs entgangen war. »Ich kann mich nur an einige Geschichten erinnern, in denen die Rede war von Flugwölfen …« Sie dachte angestrengt nach. »Die ›Flugwölfe von Kersilon‹ – genau«, ergänzte sie triumphierend. »Dann ist das da vom Kersilon.«
    »Flugwölfe«, wiederholte Rai, während ihm ein kaltes Prickeln über den Rücken lief. »Ich habe in Tilet von solchen Schauermärchen gehört, von einer Stadt im Süden, die durch fliegende Dämonen bewacht wird. Aber wer glaubt denn schon, dass es so was wirklich gibt …« Er seufzte. Mittlerweile hatte er noch mehr dieser schwebenden Ungetüme am Himmel über der Stadt entdeckt. Als eines von ihnen nun immer tiefer flog, um kurz darauf in einem der Türme zu verschwinden, begriff er auch plötzlich, wozu diese gewaltigen Öffnungen in der Spitze der schwindelerregend hohen Bauwerke gebraucht wurden. Es waren Einfluglöcher! Die Flugwölfe wohnten in den obersten Stockwerken der Türme, als wären es zahme Haustiere.
    »Diese Stadt ist mir unheimlich«, gab Rai offen zu.
    »Wegen ihrer fliegenden Wächter sind die Fürsten von Kersilon in ganz Etecrar gefürchtet«, erzählte Selira weiter, der nun immer mehr Details über ihre alte Heimat einfielen. »Als Kind wurde mir immer eingeschärft, dass ich mich so schnell wie möglich verstecken soll, wenn die fliegenden Wölfe Kersilons am Himmel auftauchen.« Seliras Augen leuchteten. »Weißt du, was das bedeutet?«
    »Dass wir so schnell es geht wieder umkehren sollten?«, schlug Rai spontan vor.
    Selira schüttelte irritiert den Kopf. »Unsinn. Wenn ich als Kind vor diesen Flugwölfen gewarnt wurde, dann muss sich mein Heimatdorf Nalesch hier ganz in der Nähe befinden! Ich bin also genau am richtigen Ort, um mit meiner Suche zu beginnen.«
    »Natürlich«, brummte Rai sarkastisch. »Was auch sonst. Der Himmel über der Stadt wimmelt vor finsteren Bestien und du kannst es gar nicht erwarten, an Land zu gehen.«
    »Sei doch froh«, konterte Selira schnippisch, »dann bist du mich endlich los. Nachdem ihr mich jetzt hergebracht habt, schaffe ich den Rest auch allein.«
    »Verrat mir wenigstens, was du dir davon versprichst, nach so vielen Jahren in dein Heimatdorf zurückzukehren«, wollte Rai wissen. Ihm drohte abermals der Geduldsfaden zu reißen. »Wenn es nur um ein Wiedersehen mit deiner Familie geht, solltest du vielleicht einmal darüber nachdenken, dass sie dich wahrscheinlich nicht einmal erkennen werden nach all der Zeit, selbst wenn sie immer noch am gleichen Ort leben wie früher.«
    Diese Bemerkung traf Selira wie

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