Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Götterschild

Titel: Götterschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
Vom Netzwerk:
wenig leiser zu werden, als Thalia merkte, wie sich der Körper der Istanoit hinter ihr anspannte. Mit einem Druck ihrer Schenkel brachte die Kriegerin das Pferd dazu, sich ruckartig zu erheben. Thalia klammerte sich erschrocken an der Mähne des Tieres fest, um nicht hinunterzustürzen. Die Decke fiel von ihnen ab, Licht stach in ihre Augen. Überall um sie herum waren Reiter zu sehen. Ihr Pferd wieherte laut, erleichtert aus dem dunklen Gefängnis befreit zu sein, dann stürmte es los. Wind pfiff Thalia um die Nase und trieb ihr Tränen in die Augen. Sie musste mehrfach blinzeln, damit sich ihre verschwommene Sicht wieder klärte. Es ging jetzt in gestrecktem Galopp eine kleine Anhöhe hinauf. Schräg vor sich erkannte sie zu ihrem Entsetzen eine riesige Horde Reiter, bei denen es sich eindeutig nicht um Istanoit handelte. Deren Rösser wirkten viel stämmiger als die schlanken Steppenpferde der Nomaden.
    Da sprengte ihr Pferd bereits auf der anderen Seite wieder den Hügel hinab. Als Thalia den Kopf etwas weiter zur Seite wandte, erblickte sie bestürzt, dass die Gerüsteten auf den riesigen Streitrössern einem Teil der Istanoitreiter nachjagten, der sich als Ablenkung von der Hauptgruppe getrennt hatte und von ihnen fortgaloppierte. Doch schon im nächsten Augenblick spaltete sich das Heer der Riesenrösser. Sie hatten den Rest der Istanoitreiter ausgemacht und nahmen die Verfolgung auf. Thalias Herz begann beinahe genauso schnell zu schlagen wie die Hufe ihres Pferdes auf den Boden. Sie sah nach vorn. Die zackigen Silhouetten hoher Berge durchschnitten das Blau des Himmels, doch nicht dieser Anblick war es, der Thalia in Furcht versetzte. Mitten in der Ebene lag der dunkle spitzzahnige Unterkiefer eines Ungeheuers, der beinahe so groß erschien wie ein Berg. Und genau darauf hielten sie jetzt zu.
     
    Der Citarim führte Arton zu einem Zelt, das sich am äußersten Rand des großen Heerlagers der Kirchentruppen befand. Anhand der Fahnen und des Aufbaus der Zelte wurde sofort klar, dass hier die Truppen Ho’Nebs ihre Quartiere errichtet hatten. Arton war angespannt bis aufs Äußerste. Er wusste nicht, was er erwarten sollte. Schon allein das bevorstehende Wiedersehen mit dem verhassten Megas hätte ausgereicht, ihn in größte Unruhe zu versetzen. Aber das sichere Gefühl, dass nicht dies den eigentlichen Grund seines Hier seins darstellte, ließ ihn regelrecht nervös werden, ein Gemütszustand, der eigentlich gar nicht Artons Wesen entsprach. Doch die Dinge drohten ihm aus den Händen zu gleiten und die daraus resultierende Ohnmacht war ihm zutiefst zuwider.
    Der Citarim wechselte ein paar knappe Worte mit den Wachen am Eingang, die Arton jedoch nicht verstehen konnte, worauf einer der Soldaten im Laufschritt davonlief. Der Kirchenfürst trat unterdessen in das Zelt, ohne sich noch einmal nach seinem Begleiter umzusehen. Arton blieb einen Moment ratlos im Freien stehen, bis er schließlich entschied, dass er jetzt unmöglich wieder gehen konnte, ohne dem Verräter Megas wenigstens gegenübergestanden zu haben. Also folgte er dem Citarim ins Innere.
    Der Innenraum wirkte eher schlicht. Es gab außer einem Tisch und drei Stühlen kaum Einrichtungsgegenstände und man hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, den nackten Steinboden der Ebene mit Fellen, Teppichen oder dergleichen abzudecken. Außer dem Citarim befand sich niemand sonst im Zelt, aber die ungeduldig vor der Brust verschränkten Arme des Kirchenoberhaupts ließen darauf schließen, dass er alsbald jemanden erwartete.
    Tatsächlich waren wenig später Stimmen vor dem Zelt zu hören. Die Plane wurde zurückgeschoben und ein junger, mittelgroßer Mann mit hochmütigen hellblauen Augen, glatten braunen Haaren und einem kantigen sonnengebräunten Gesicht trat herein. Artons Faust schloss sich wie von selbst um sein Schwert. Sein Atem stockte. Er hätte diesen Menschen selbst in tiefster Nacht wieder erkannt. Dies war der Mann, dem er das größte Unglück seines Lebens verdankte, es war das Gesicht, auf das er in seinen Racheträumen dutzende Male eingeschlagen hatte. Megas Arud’Adakin stand leibhaftig vor ihm.
    Der Inselherr von Ho’Neb blickte zunächst nur den Citarim an. »Weshalb wollt Ihr denn ausgerechnet jetzt die Gefangenen …«
    Dann bemerkte er Arton. Megas erbleichte. Anders als Arden bei dem Götterurteil hatte der Inselherr den narbenversehrten Krieger sofort wieder erkannt. Und der Anblick schien ihn beinahe in Panik zu versetzen.

Weitere Kostenlose Bücher