Götterschild
Verteidiger, doch sie wollte nicht, dass der Beherrscher der Festung diese beiden mächtigen Dinge für noch mehr Blutvergießen missbraucht, nein, das wollte sie wahrlich nicht. Besonders nach dem, was er mit Themuron und den Themuraia unter den Belagerern angerichtet hatte. Deshalb verriet sie ihn, verließ die Festung und brachte Schwert und Schuppe zu Ecorim Erenor. Ja, so war es.« Als hätte er etwas völlig Selbstverständliches von sich gegeben, begann der Einsiedler daraufhin in aller Seelenruhe, mit seinen dreckverkrusteten Fingern in seinem Mund nach einer Fleischfaser zu fahnden, die sich zwischen seinen Zähnen verklemmt hatte. Um ihn herum herrschte derweilen fassungsloses Schweigen.
»Dann war es also kein Götterwunder«, flüsterte Arden erschütterte, »dass das Schwert Fendralin den Weg in die Hände meines Vaters gefunden hat. Es war unsere Mutter, Arton, die ihm das Schwert brachte.«
»Ha! Die Götter hatten nun wirklich nichts damit zu tun«, rief Zottelbart aus. »Wie auch, sie sind eine Erfindung der Priester, eine nachträgliche Glorifizierung jener schändlichen Wesen, die die Unterwerfung und Versklavung aller Völker der Ostlande betrieben haben.«
»Von was sprichst du?«, entfuhr es Targ. Seine Verwirrung spiegelte sich auch in den Gesichtern der anderen. »Wir sind alle keine Freunde des Citarim und der Kirche, aber deswegen gibt es noch keinen Grund, die Götter auf solche Weise zu lästern.«
»Die Götter!«, zischte Zottelbart verächtlich, der bei diesem Thema sichtlich, in Rage geriet. Dabei gewann auch seine Redeweise zunehmend an Klarheit, so als kehre mit jedem Satz ein wenig mehr seiner früheren sprachlichen Gewandtheit zurück. »Die Wesen, die von der Kirche heute als Götter gepriesen werden, waren nichts weiter als die Anführer des Volkes der Naurain. Die Naurain sind ganz abscheuliche Wesen, die für alles, was sie tun, Diener benötigen. Menschen und Themuraia wurden von ihnen versklavt, nur die Drachen widersetzten sich lange ihrem Herrschaftsanspruch. Deshalb führten sie Krieg gegen die Echsen und weil sie dafür natürlich nicht ihre eigene Haut riskieren wollten, ließen sie die anderen Völker für sich kämpfen, jawohl. Damit sie diese aber effektiv anführen konnten, haben sie aus Menschen und Themuraia ihnen ergebene Mischwesen gezüchtet, die sich mit beiden Völkern zu verständigen vermochten: die Fardjani. Doch das allein reichte immer noch nicht aus, um die Drachen zu besiegen. Denn die Menschen und Themuraia haben sich irgendwann geweigert, für die Naurain in den Tod zu gehen, und so dachten sich diese niederträchtigen Sklavenhalter etwas aus, wie sie die beiden rebellischen Völker zwingen konnten, für sie in die Schlacht zu ziehen. Sie schmiedeten die Schwerter Themuron und Fendralin.« Bei diesen Worten streifte er die Klinge an Ardens Seite mit einem abfälligen Blick.
»Sollen wir etwa ernsthaft akzeptieren, dass alles, woran wir geglaubt haben, alles, was uns die Kirchendiener seit jeher gelehrt haben, nicht mehr als ein bloßes Lügengespinst war?« Targ sah aus, als könne er sich nicht entscheiden, ob er diesen ungeheuerlichen Behauptungen mit Wut oder Spott begegnen sollte.
»Die Priester glauben ja selbst mittlerweile an diesen gewaltigen Schwindel«, erwiderte Zottelbart leichthin. »Diese Lüge ist beinahe so alt wie die Ostlande, oh ja. Und nach dem letzten Krieg, der mit der Niederlage und Unterjochung Skardoskoins zu Ende gegangen ist, gibt es nicht mehr viele, die die Wahrheit kennen.«
»Und ausgerechnet du willst zu diesen wenigen gehören«, warf Tarana kopfschüttelnd ein. »Das ist schwer zu glauben.«
»Dann ist also Caras, jener Fardjani, der das Schwert Fendralin von den Naurain erhielt, deiner Meinung nach nicht der Frevler und Götterverräter, als den ihn die Kirche hinstellt?« Arton schien der Einzige zu sein, der über die Worte des Einsiedlers noch kein Urteil gefällt hatte. Aus seiner Stimme ließ sich weder Skepsis noch Ablehnung heraushören, lediglich aufrichtiges Interesse.
Diese Aufgeschlossenheit quittierte Zottelbart mit einem Lächeln. »Caras Ikarion war der erste Fardjani«, erklärte er, »der sich gegen die Naurain gestellt hat, das ist schon wahr. Doch er tat es nicht aus Verblendung oder Selbstsucht, wie die Priester behaupten, sondern er tat es, weil er Mitleid mit den Menschen und letztlich auch dem letzten verbliebenen Drachen hatte. Beide Völker standen wegen der andauernden Kämpfe
Weitere Kostenlose Bücher