Götterschild
dieser vielleicht Selira gesehen hatte.
Als Rai nah genug herangekommen war, um das Innere der Schmiede überblicken zu können, sah er neben dem Schmied einen dunkel gekleideten, breitschultrigen Mann mittleren Alters, der zwei Schwerter überkreuz auf den Rücken gebunden trug, sodass die Hefte der beiden Klingen über seine rechte und linke Schulter hinausstanden. Der Schmied reichte dem Bewaffneten gerade ein kreisrund gehämmertes Metallband, das kurz zuvor in einem Bottich mit Wasser abgekühlt worden war. Der Schwertträger klappte diesen Eisenring an einem Scharnier auf und legte es einem jungen, dunkelhäutigen Mädchen um den Hals, das die ganze Zeit über reglos neben ihm gestanden hatte.
Rais Augen weiteten sich vor Schreck: Das war Selira! Nun schien sie auch noch irgendwelchen Sklavenhändlern in die Hände gefallen zu sein! Der Tileter überlegte nicht lang und riss sein Schwert aus der Scheide. Entschlossen marschierte er auf den dunkel Gekleideten zu und rief:
»He, nimm deine dreckigen Hände von dem Mädchen, sie gehört zu mir.«
Überrascht fuhr der Mann herum. Seine tiefblauen Augen und strohblonden Haare standen in einem scharfen Kontrast zu seinem sonnengebräunten, ledrigen Gesicht, das von der unbarmherzigen Witterung in der etecrischen Wüste gegerbt worden war.
»Rai!«, entfuhr es Selira. »Was machst du denn hier?«
»Keine Angst«, erwiderte der kleine Tileter beruhigend. »Ich werde dich hier rausholen.« Er erhob sein Schwert und richtete die Spitze auf den Sklavenhändler. »Hast du nicht verstanden?«, wiederholte er schärfer. »Sie gehört zu mir.«
Der Mann machte weder irgendwelche Anstalten, nach den Klingen auf seinem Rücken zu greifen, noch schien er sonst sonderlich beeindruckt von Rais Auftreten zu sein.
»Weißt du denn, wen du vor dir hast?«, fragte er gelassen.
»Einen skrupellosen Sklavenhändler, der sich an wehrlosen Mädchen vergreift«, schleuderte ihm Rai entgegen.
Der Mann lächelte. »Du bist nicht von hier, so viel ist klar. Sonst wüsstest du, dass ich ein freier Bürger Kersilons mit dem Recht auf Leibherrschaft bin. Das heißt, ich darf Sklaven halten und mit ihnen auch Handel treiben, wenn es mir beliebt.«
»Das ist mir egal«, knurrte Rai, »dieses Mädchen wird jedenfalls nicht deine Sklavin werden, es sei denn, du hängst nicht sehr an deinem Leben.« Drohend trat er einen Schritt näher.
»Rai, lass den Unsinn«, zischte Selira alarmiert. »Du bringst uns beide in Gefahr.«
»Vielleicht solltest du einen Blick über deine Schulter werfen«, schlug der Schwertträger immer noch völlig entspannt vor. »Das wird mit Sicherheit deine Einschätzung der Lage ein wenig zurechtrücken.«
»Ja, natürlich!« Rai lachte verächtlich. »Glaubst du, ich bin so einfältig? Ich werde dich nicht aus den Augen lassen …« In diesem Moment vernahm der Tileter ein leises, aber deutliches Knurren hinter sich. Er wirbelte herum – und stand Auge in Auge mit einem der Wölfe Kersilons. Das Tier hatte sein großes Maul leicht geöffnet, gerade so viel, dass mehrere hintereinander stehende Reihen von dünnen, nadelspitzen Zähnen sichtbar wurden. Gelbe, spindelförmige Augen mit tiefschwarzen kreisrunden Pupillen fixierten Rai. Die Bestie schien direkt aus der Zwischenwelt zu kommen.
Rai sprang unwillkürlich zurück, stolperte über irgendetwas und fiel nach hinten um. Der dunkel Gekleidete gab seinem Flugwolf ein kurzes Handzeichen, worauf dieser ungelenk auf den Platz hinausstelzte, dort seine imposanten Schwingen ausbreitete und in den Himmel entschwand. Zurück blieb nur eine dichte Staubwolke.
»Ein Leibherr hat auch das Recht, Flugwölfe zu halten und abzurichten«, erklärte der Mann dem verstört am Boden liegenden Rai. »Du hast gerade mit meiner Flugwölfin Resa Bekanntschaft gemacht.«
»Resa?«, fragte Rai ungläubig, während er sich mit Seliras Hilfe aufrappelte. »Ein netter Name für diesen wandelnden Albtraum.« Er stockte kurz. »Nichts für ungut, ich wollte Euer Schoßtier nicht beleidigen.«
Der Mann lachte laut auf. »Ich denke nicht, dass dir Resa diese Bemerkung übel nehmen wird, und ich finde es eigentlich ganz gut, dass sie bisweilen diesen Eindruck vermittelt. Das hat schon so manches Gemüt besänftigt – wie ja auch deines, nehme ich an.«
»Ja, ja«, räumte Rai ein, »vielleicht war ich vorhin ein wenig stürmisch. Dennoch kann ich Selira nicht bei Euch lassen. Sie ist keine Sklavin.«
»Rai!«, fuhr die Xelitin
Weitere Kostenlose Bücher