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Götterschild

Titel: Götterschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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Sie würde wahrscheinlich so lange geradeaus laufen, bis sie auf etwas traf, das ihre Aufmerksamkeit erregte. Also musste er ebenso vorgehen, denn das war der einzige Strohhalm, an den er sich klammern konnte.
    Zwischen den würfelförmigen Sandsteinhäusern waren nun auch immer öfter abenteuerlich aussehende Zeltbauten zu entdecken, die diesem Stadtteil ein noch fremdartigeres Aussehen verliehen, sofern das überhaupt noch möglich war. Da vernahm Rai auf einmal ein eigenartiges Träten, das in einer hellen Folge von Blubberlauten ausklang. Es hörte sich an, als blase man mit einem Horn in ein Wasserbecken. Er beschloss, dass diese misstönende Fanfare als ungewöhnlich genug eingestuft werden durfte, dass Selira darauf aufmerksam geworden sein könnte, und beschloss, nach der Ursache des Geräusches zu fahnden.
    Er bog nach links ab und ging durch eine schmale Gasse, zwischen einer Sandsteinmauer und einer senkrecht gespannten Bahn Zelttuch hindurch, bis er schließlich einen unübersichtlichen, staubigen Platz erreichte. Die Sichtweite war hier aufgrund des aufgewirbelten Schmutzes äußerst beschränkt, dennoch ließen sich die Verursacher dieser Staubwolke sofort ausmachen: Es waren Schweine. Allerdings erinnerte Rai nur die Form des Kopfes und die unverwechselbare Rüsselnase an das Borstenvieh, das er von den Märkten in Tilet kannte. Diese Tiere hier waren riesig, ihre Schulterhöhe lag sicherlich um mehrere Handbreit über Rais Kopf und sie maßen gut drei Mannslängen vom Rüssel bis zum Schwanz. Etwa ein halbes Dutzend dieser Riesenschweine war gerade dabei, seinen Durst an einem großen Wasserbecken zu stillen, das inmitten des kleinen Platzes lag. Vor dem Trinken stießen sie immer wieder diese merkwürdigen trompetenden Laute aus, die in einer blubbernden Wasserfontäne untergingen, sobald sie ihre Schnauze ins Becken senkten. Während sie tranken, begannen sich die sackartigen Hautlappen unter ihrem Hals immer weiter aufzublähen, sodass sich ein eigentümlicher Wulst zwischen den Vorderbeinen und der Schnauze bildete, der an ein extrem ausgeprägtes menschliches Doppelkinn erinnerte. Da die Tiere mit dem Trinken aufhörten, sobald dieser Hautsack prall gefüllt war, vermutete Rai, dass es sich dabei um eine Art Speicher handelte, in den die Tiere mithilfe der lautstark ausgeblasenen Luft viele Liter Wasser drücken konnten.
    Der Tileter beobachtete das geräuschvolle Treiben eine Weile lang fasziniert, bis ihm auffiel, dass sich an den Tieren mehrere Personen zu schaffen machten. Soweit Rai erkennen konnte, wurde etwas auf den Rücken der imposanten Schweine geladen. So gewöhnungsbedürftig diese Vorstellung auch für ihn sein mochte, aber offenbar handelte es sich bei den Giganten um nichts weiter als Lasttiere für den Transport von Waren.
    Rai klopfte sich gedanklich selbst auf die Schulter. Er hatte genau den richtigen Ort gefunden, um nach Selira Ausschau zu halten. Wenn dieser Platz einen Knotenpunkt für Handelszüge aus verschiedenen Teilen Etecrars bildete, dann war die Wahrscheinlichkeit, auf jemanden zu treffen, der schon einmal etwas von Seliras Heimatdorf gehört hatte, ziemlich gut – zumindest besser als überall sonst in der Stadt.
    Doch Rais Zuversicht wurde herb enttäuscht, denn niemand unter den zahlreichen Händlern, Trägern und Tierführern auf dem Platz hatte die Xelitin gesehen. Allerdings beschrieben sie ihm, wo zwei weitere solcher Tiertränken lagen, was ihn bewog, sich unverzüglich auf den Weg zu machen. Er brauchte fast den ganzen Rest des Tages, um die genannten Stellen zu finden und dort nach Selira Ausschau zu halten, doch die Suche verlief enttäuschend. Kurz vor Sonnenuntergang stand Rai schließlich niedergeschlagen an der letzten Tiertränke neben zwei zufrieden gurgelnden Riesenschweinen und hatte keinen einzigen Hinweis auf Seliras Verbleib erhalten.
    Schräg gegenüber am Rande des Platzes konnte Rai durch die staubbeladene Luft das rote Glühen eines Schmiedefeuers ausmachen. Auch der klingende Schlag eines Schmiedehammers auf Metall ließ sich vernehmen, wenn die Lastschweine einmal kurzzeitig ihr lärmendes Träten unterließen. Einem inneren Impuls folgend begann Rai, auf die Schmiede zuzugehen, obwohl er nicht genau sagen konnte, warum er sich dafür interessierte. Möglicherweise zog ihn nur das vertraute Geräusch an, weil es eines der wenigen Dinge hier war, das ihn an seine Heimatstadt Tilet erinnerte. Außerdem konnte er den Schmied fragen, ob

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