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Götterschild

Titel: Götterschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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irgendwelchen Wüstenmonstrositäten überrascht zu werden, half Rai enorm dabei, seine Aufgabe gewissenhaft zu erfüllen. Letztlich ereignete sich die ganze Nacht über nichts weiter, abgesehen von gelegentlichem Geraschel im umliegenden Unterholz, und so konnten sie bei Sonnenaufgang nach einem schweigsamen Morgenmahl ihren Weg fortsetzen.
    Am späten Nachmittag ließen sie dann das trockene Gehölz hinter sich und traten hinaus auf eine weite Ebene, die nördlich, östlich und westlich vom Ozean umschlossen war und wegen der großen Zahl an tief eingeschnittenen Buchten regelrecht zerfranst aussah. Der schmale Pfad führte vom Waldrand aus weiter in nordöstlicher Richtung ins Zentrum dieser Landzunge, an deren Ende einige Rauchfäden in den makellos blauen Himmel stiegen. Unverkennbar befand sich dort eine menschliche Siedlung.
    Die Aufregung, welche Selira bei diesem Anblick erfasste, äußerte sich darin, dass sie ihr Marschtempo verdoppelte und immer wieder mit der Hand über den Augen in die Richtung der Rauchfahnen spähte. Rai musste sich anstrengen, nicht den Anschluss an die Xelitin zu verlieren. Bald schon konnten sie die ersten Hausdächer eines kleinen Dorfes erkennen, das von einer hölzernen Palisade umgeben war, welche allerdings schon bessere Zeiten gesehen hatte. An einigen Stellen klafften Lücken in der Befestigung und manche Hölzer sahen schon so verwittert aus, dass die ganze Konstruktion keinen besonders wehrhaften Eindruck mehr vermittelte. Auch das, was von den Wohnhäusern des Dorfes zu sehen war, ließ darauf schließen, dass die Bewohner nicht zu den wohlhabenden Etecrari zählten. Viele Dächer wiesen kopfgroße Löcher auf, von den hölzernen Fassaden schälte sich der jahrzehntealte Anstrich und Fensterläden hingen schief oder fehlten ganz.
    Am Eingang des Dorfes, das ein umgefallenes kleines Schild neben dem Tor als »Nalesch« auswies, blieb Selira so abrupt stehen, dass Rai beinahe in sie hineingelaufen wäre. Verwundert blickte er seine Begleiterin an. Sie biss mit den Zähnen auf ihrer Unterlippe herum, zupfte unruhig an ihrem Ärmelsaum und ließ rein gar nichts von jener Vorfreude erkennen, die Rai bei jemandem erwartet hätte, der nach so langer Zeit in sein Heimatdorf zurückkehrte, um seine Familie wieder zu sehen.
    »Dann haben wir es also tatsächlich geschafft«, begann Rai unbeholfen, »wir sind in Nalesch, dem Ort, an dem du deine Kindheit verbracht hast. Erkennst du eines der Häuser wieder?«
    Selira nickte nur.
    Rai folgte Seliras Blick. Sie starrte auf eine kleine Hütte, die, sofern das überhaupt möglich war, noch etwas schäbiger wirkte als die übrigen. Rai schluckte unwillkürlich. »Ist es das?«, fragte er und deutete auf das Gebäude.
    Sie nickte abermals.
    »Sollen wir hinübergehen?«, erkundigte sich Rai vorsichtig. »Vielleicht können wir ja durch eines der Fenster schauen, ob jemand zu Hause ist?« Er sah sich suchend um. »Ansonsten scheint hier ja nicht viel los zu sein. Wahrscheinlich sind alle beim Fischen draußen.«
    Selira reagierte nicht.
    »Oder soll ich erst einmal alleine nachsehen?«, schlug Rai vor.
    Das erste Mal seit Kersilon blickte sie ihm direkt in die Augen. Der Ausdruck in ihrem Gesicht war schwer zu deuten, aber Rai meinte, darin eine stille Bitte zu erkennen. Obwohl natürlich eine gewisse Unsicherheit blieb, erfüllte ihn diese erste Möglichkeit, Selira einen Wunsch zu erfüllen, mit großer Freude. Ohne Zögern betrat er das Dorf und ging zielstrebig auf das kleine Haus zu, das etwa fünfzig Schritt vom Eingangstor entfernt lag. Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, verfügte es natürlich nicht über den Luxus von Glasfenstern, sodass er seinen Kopf direkt durch die Fensteröffnung stecken konnte, um sich im Inneren umzusehen. Noch bevor er jedoch irgendwelche Einzelheiten erkennen konnte, sprang ihm plötzlich etwas aus dem düsteren Raum entgegen und begann einen ohrenbetäubenden Lärm zu veranstalten. Rai stolperte vor Schreck drei Schritte rückwärts. Ein zotteliger Hund hatte seine Vorderläufe auf das Fenstersims gestellt und kläffte wie wild zum Fenster hinaus. Im gleichen Moment hörte man eine Stimme aus dem Haus:
    »Du räudige Missgeburt, was machst du denn schon wieder im Haus? Und was soll der Radau?«
    Gleich darauf flog die Haustür auf und mit einem unterdrückten Winseln wurde der Hund nach draußen befördert. Eine dünne, in schmuddelige Kleider gehüllte Frau stand im Türrahmen und blickte

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