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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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positiven Seite, Andrej«, seufzte Abu Dun. »Wir sind noch am Leben. Und der Krieg ist für uns vorbei.«
Andrej wollte gerade scharf antworten, da fing er Abu Duns warnenden Blick auf, und er spürte im selben Moment, dass sie nicht mehr allein waren. Schnell drehte er sich um und erkannte Gordon – Drake. Es fiel ihm immer noch schwer, den britischen Kaperfahrer als den zu akzeptieren, der er wirklich war – der nicht etwa näher kam, sondern offensichtlich schon eine geraume Weile hinter ihnen stand. Er hatte es nicht gemerkt, obwohl es doch eigentlich unmöglich sein sollte, sich an ihn anzuschleichen.
Wahrscheinlich, dachte er, lag es daran, dass Menschen ihm nichts mehr bedeuteten, und an nichts anderem. Sie waren so unwichtig. So … nutzlos.
»Euer Freund hat recht, Andrej«, sagte Drake. »Nehmt es von der positiven Seite. Für Euch ist der Krieg vorbei. Ihr könnt im nächsten Hafen von Bord gehen, wenn Ihr es wünscht … obwohl ich diese Entscheidung bedauern würde. Männer wie Ihr und Euer Freund wären gewiss eine Bereicherung für die Marine Ihrer Majestät. Ich könnte Euch ein Offizierspatent anbieten … und natürlich einen fairen Anteil an jeder Prise, die wir machen.« Andrej starrte ihn an. Erst jetzt bemerkte er, dass er sich auch äußerlich verändert hatte. Statt der abgewetzten Piratenkleidung trug er jetzt eine makellose britische Kapitänsuniform, und sein pechschwarzes Haar war unter einer weißen Perücke verschwunden, von der Andrej argwöhnte, dass sie an dem großen Dreispitz angenäht war, den er trug; jedenfalls saß sie genauso schief auf seinem Kopf. Andrej wusste die goldenen Epauletten und Rangabzeichen auf seiner Jacke nicht sicher zu deuten, nahm aber an, dass sie zu einem Admiral gehörten.
Trotzdem sah Drake immer noch aus wie ein Pirat. »Aber ich kann auch verstehen, wenn Ihr der Meinung seid, das alles hier ginge Euch nichts an«, sagte Drake, der seinen Blick offensichtlich missdeutete. »Überlegt es Euch einfach.«
»Ihr … habt verstanden, worüber wir gesprochen haben?«, fragte Andrej alarmiert.
»Das war nicht allzu schwierig«, antwortete Drake. Er klang leicht amüsiert. »Wenn man so viel herumkommt wie ich, dann ist man irgendwann der einen oder anderen Sprache mächtig. Vor allem, wenn es die eigene ist.«
Es jetzt wurde Andrej klar, dass Abu Dun und er ihre kurze Unterhaltung tatsächlich auf Englisch geführt hatten. Das war ungewöhnlich. Andrej konnte selbst nicht genau sagen, warum, aber der Gedanke beunruhigte ihn. »Hm«, machte er nur.
Drake legte fragend den Kopf auf die Seite und deutete schließlich ein leicht enttäuschtes Schulterzucken an, als hätte er vergeblich auf eine andere Antwort gehofft. »Nun denn.« Drake räusperte sich unbehaglich. »Im Grunde bin ich nur gekommen, um Euch und Eurem Freund noch einmal in aller Form zu danken und mich zu verabschieden.« Er deutete auf eines der anderen Schiffe, das mit dem brennenden Vorderdeck. Ein schlankes Beiboot hatte von dem gewaltigen Linienschiff abgelegt und hielt mit schnellen Ruderschlägen auf sie zu. »Ich werde an Bord der Intrepid gebraucht, fürchte ich. Ihr seht es ja selbst … wenn ich mich nicht persönlich um alles kümmere, erledigen diese Narren am Ende noch das, was den Spaniern nicht gelungen ist.«
Andrej tat ihm den Gefallen, die Lippen zu einem angedeuteten Lächeln zu verziehen, aber Drake hätte schon blind sein müssen, um nicht zu sehen, was wirklich in ihm vorging. Er räusperte sich noch einmal unbehaglich, warf einen fast flehenden Blick zu dem näher kommenden Ruderboot hin und kam dann zu einem Entschluss.
»Es lag nicht in meiner Absicht, Euch zu belauschen, Andrej«, sagte er. »Aber ich kam nicht umhin, einen Teil Eures Gesprächs mit anzuhören.«
»Aha«, sagte Andrej. Sein Blick wurde bohrend. »Ich weiß nicht, welchen Streit Ihr mit de Castello habt und für wen Ihr ihn haltet … und ich glaube fast, dass ich es gar nicht wissen will.« Er legte eine Pause ein, gerade lang genug, um Andrej Gelegenheit zu einer Erklärung zu geben (die dieser schweigend verstreichen ließ), und fuhr mit einem abermaligen Räuspern fort: »Aber ich kann Euch versichern, dass er sich nicht an Bord befindet. Womöglich hatte er es vor, aber ich fürchte, dass ihm der letzte Becher Wein nicht bekommen sein dürfte, den ihm einer meiner Vertrauensleute kredenzt hat.«
»Ihr habt ihn vergiften lassen?«, fragte Abu Dun. Das war nicht nur überraschend, das war unmöglich.

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