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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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es vor, hier an Bord zu bleiben, oder erweist Ihr mir die Ehre, Euch als meine Gäste an Bord der KingGeorge begrüßen zu dürfen?« »Ihr bleibt nicht auf der EL CID?«, fragte Andrej überrascht.
Rogers schüttelte so erschrocken den Kopf, als hätte er ihm vor den Ohren der gesamten Mannschaft ein ehrenrühriges Angebot gemacht. »Nein, gewiss nicht«, sagte er. »Vier Jahre in der Haut eines spanischen Colonels sind genug. Ich sehne mich nach gutem englischem Holz unter den Stiefeln und den Flüchen schottischer Seeleute. Vielleicht könnt Ihr das verstehen.«
    BesseralsIhrahnt,Captain , dachte Andrej. Besser als ihm selbst lieb war. Er sah Rogers einen Atemzug lang durchdringend an und fragte sich, ob sich hinter diesem vermeintlichen Stoßseufzer vielleicht mehr verbarg. Er hatte nicht vergessen, was Rogers vor zwei Tagen zu ihm gesagt hatte, als er noch Rodriguez hieß: Ich weiß, was Ihr seid.
Rogers aber machte ein mäßig enttäuschtes Gesicht. »Ganz wie Ihr wünscht, Sir. Ihr habt Sir Drake ja gehört: Euer Wunsch ist mir Befehl. Aber überlegt es Euch gut. Wir fahren in spätestens einer halben Stunde los, und dann wird es schwierig, auf die King George überzuwechseln. Es ist eine lange Fahrt bis Liverpool. Fünf Tage, wenn nicht sechs. Mindestens.«
Täuschte sich Andrej, oder forderte er sie regelrecht auf, ihn an Bord seines Schiffes zu begleiten? Er schwieg, und Rogers ließ auch nur noch eine weitere Sekunde verstreichen, bevor er es aufgab und sich an Bresto wandte. »Dann liegt die Verantwortung für das Wohl unserer Gäste jetzt in Euren Händen, Lieutenant. Betrachtet es als Eure erste Aufgabe im Dienste der Krone. Und enttäuscht mich nicht.«
»Bestimmt nicht, Colo… Sir«, radebrechte Bresto in holperigem Englisch.
»Verratet Ihr uns noch den wirklichen Namen des jungen Mannes, Captain?«, fragte Andrej.
Rogers sah ihn erst verständnislos an, aber dann lächelte er. »Oh nein«, sagte er. »Der gute Lieutenant ist ganz genau der, für den er sich ausgib t … vielleicht als Einziger in dieser ganzen Geschichte. Seid nicht zu streng mit ihm. Ich bin sicher, dass er sich Mühe geben wird. Er ist noch jung.«
»Und ein Verräter«, murmelte Bresto, ebenso leise wie bitter. »Ich an Eurer Stelle würde es mir gut überlegen, einem Mann zu vertrauen, der sein eigenes Volk verraten hat.«
»So, wie ich das sehe«, antwortete Rogers gelassen, »habt Ihr lediglich Eure eigene Haut gerettet. Und was das Vertrauen angeht …« Er zuckte die Achseln. »Ich vertraue prinzipiell niemandem, nicht einmal mir selbst. Betrachtet Euch selbst als Verräter, wenn es Euer Gewissen beruhigt, mir ist es gleich. Ihr habt Euer Land verraten und seid zu uns übergelaufen? Gut für uns, nicht wahr? Jetzt gibt es niemanden mehr, zu dem Ihr überlaufen könnt, sollte es Euch noch einmal in den Sinn kommen, jemanden zu verraten.« Er versetzte dem jetzt eingeschüchterten Bresto einen freundschaftlichen Klaps zwischen die Schulterblätter (der diesen beinahe vornüberfallen ließ) und verschwand dann ohne ein weiteres Wort. Bresto folgte ihm in kaum einer Sekunde Abstand, und mehr stolpernd als gemessenen Schrittes. »Da gehen unsere beiden letzten Verdächtigen«, seufzte Abu Dun. »Und du hast das wirklich ernst gemeint? Die KingGeorge scheint mir ein bequemeres Transportmittel zu sein als dieses prachtvolle Schiffchen hier … von der Intrepid gar nicht zu reden.«
»Loki ist hier an Bord«, beharrte Andrej. »Und ich werde ihn finden.«
»Zweifellos«, knurrte Abu Dun. »Und wenn du nicht ihn, dann er uns, nicht wahr?«

21

A
    ndrej hatte noch nie viel von der Pünktlichkeit der Briten gehalten, und wie sich zeigte, war dieses Vorurteil genauso unbegründet wie das, das er der englischen Küche gegenüber gehegt hatte. Rogers hatte ihnen eine halbe Stunde Bedenkzeit eingeräumt, doch noch auf die King George oder ihr Schwesterschiff überzuwechseln, ließ aber schon nach kurzer Zeit die beiden Dreimaster Segel setzten und einen weiten Bogen schlagen, an deren Ende sie die EL CID in geringem Abstand flankieren würden. Auch das erbeutete Schlachtschiff setzte sich lange vor Ablauf der Frist in Bewegung, die Rogers ihnen genannt hatte, schwerfällig und auf eine beinahe widerwillige Art, aber doch auch unaufhaltsam. Andrej legte den Kopf in den Nacken und blinzelte in das Gewirr der Masten und Rahen hinauf. Winzige Gestalten bewegten sich darin ameisengleich und in großer Zahl, zugleich aber auch viel zu wenige

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