Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)
Rowen und setzte seinen Weg fort.
Zum Hüpfenden Schwammling
Dem Holzschild nach zu urteilen, das über der Tür hing, hätte die Spelunke auch Zum Hüpfenden Farbklecks heißen können. Das Gekrakel des talentlosen Malers konnte in Rowens Augen auch ein Baum, ein Pferd oder ein Felsklumpen sein.
Einen Schwammling stellte er sich jedenfalls anders vor, auch wenn er nicht wusste, wie so ein Wesen in Wirklichkeit aussah. Das einzige, was man über sie wusste, stammte aus den Aufzeichnungen der Eskorten zum Ekun-Tempel. Und die gehörten nun anscheinend der Vergangenheit an.
Auch abgesehen vom Schild war der Laden selbst für die Verhältnisse von Sturzstadt wenig einladend. Das Dach des zweigeschossigen Hauses war in der Mitte durchgebogen, als hätte es ein Riese als Sitzbank missbraucht. Schummriges Licht strömte zwischen den Ritzen der Fensterläden hindurch, gemeinsam mit kehligen Rufen, dem Klirren von Bierhumpen und dem schrägen Geklimper eines Fiedlers, der das Hilgurlied verhunzte.
Die Schwingtür flog auf. Ein dürrer Betrunkener taumelte heraus, die spitze Nase rot und die Augen wild umherschauend.
»Orchon tot, Orchon tot«, lallte er das Lied von Arlot Asht, das seit einem halben Jahr die Runde machte.
»Erst stürzt der Gott, dann das Konzil!
Nichts hält ewig, das ist des Lebens Spiel.«
Der Betrunkene wankte auf die Schar Huren zu, die vor der Taverne auf Kundschaft warteten. Aber anscheinend roch er selbst ihnen zu stark nach Vranischem Schnaps und Bier. Sie wichen vor ihm zurück, die grell geschminkten Gesichter angewidert verzogen.
»Kommt schon, Mädels, kommt schon!«, grölte der Kerl, stolperte über seine eigenen Füße und landete mit einem Platschen im Straßendreck.
Rowen stieg über ihn hinweg und betrat das Gasthaus. Der Geruch nach gerösteten Zwiebeln, Erbrochenem und Schweiß schwappte ihm wie eine Welle entgegen. Er schluckte. Dennoch knurrte sein leerer Magen – sein letztes Essen war die dürftige Henkersmahlzeit gewesen, die lediglich aus einem Becher Wein, etwas Brot und streng riechendem Käse bestanden hatte. Auch dort hatten sich die Nahrungsmittelkürzungen bemerkbar gemacht.
Er ließ den Blick durch den dämmrigen Raum schweifen. Mit Hunderten von Kerzen bestückte Wagenräder hingen als Kronleuchter an Ketten von der Decke. Hin und wieder tröpfelte Wachs herab und landete auf dem Kopf von einem der Trunkenbolde, die schlafend über den grob gezimmerten Tischen hingen. Die meisten merkten es gar nicht, nur ein paar schüttelten daraufhin den Kopf oder fuhren sich durchs Haar. Einer von ihnen lag sogar mitten auf dem Boden, alle Viere von sich gestreckt und schnarchend.
Und das hier soll das Hauptquartier der Revolution sein? , fragte sich Rowen, die Stirn gerunzelt. Wollten sie das Ewige Konzil in einem Wetttrinken stürzen? Salus konnte er jedenfalls nirgends ausmachen.
»He, Hänfling!« Der Wirt, der mit den Ellenbogen auf dem Tresen lehnte, winkte ihn zu sich heran.
Rowen kam zu ihm. »Was gibt's?«
Wäre er dem Mann auf der Straße begegnet, hätte er ihn für einen Archivar oder Scriptorengehilfen gehalten, niemals aber für einen Schenk. Er trug eine dunkelgraue Weste, auf der erstaunlicherweise kein einziger Fleck zu sehen war, hatte die Haare raspelkurz geschnitten und eine so verkniffene Miene, als würde ihn immerzu etwas blenden.
»Es ist bald Morgen und du betrittst den Hüpfenden Schwammling . Du bist noch nie vorher hier gewesen. Du bist jung und siehst aus wie eine Maus. Du trägst einen Galgenstrick um den Hals.« Der Wirt lehnte sich vor. »Du bist Rowen.«
Entgeistert starrte der Dieb sein Gegenüber an. Drückte der Mann sich immer in solchen Aufzählungen aus?
»Ich bin Thoran. Ich bin der Wirt dieses Lokals. Ich weiß, warum du hier bist, und ich kenne denjenigen, den du suchst.«
Anscheinend war dies tatsächlich Thorans übliche Ausdrucksweise. Damit wäre diese Frage beantwortet – und viele weitere hatten sich auch gleich erledigt.
»Ich führe dich in ein Hinterzimmer«, flüsterte Thoran. »Dort trifft sich die Revolution. Folge mir.«
Routiniert huschte der Blick des Wirts durch das Lokal. Schließlich nickte er und wandte sich um. Er humpelte hinter dem Tresen hervor, wobei er bei jedem Schritt schmerzerfüllt das Gesicht verzog.
Eine Holzkonstruktion spannte sich um sein rechtes Bein, die es stützen sollte.
»Was ist da passiert?«, fragte Rowen.
»Die Verletzung ist siebzehn Jahre alt. Ein Konzilssoldat hat mir
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