Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)

Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)

Titel: Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Schütz
Vom Netzwerk:
zunächst auf die Fackel, dann auf den Galgenstrick um seinen Hals – was folgte, waren Schweigen oder ein gewispertes »Rowen! Es ist Rowen die Maus!«
    Diese Schneise aus verstohlenem Flüstern nach sich ziehend, kam Rowen der Opferung immer näher. Zwischen den Köpfen der Leute vor ihm blitzte das gebogene Ritualmesser hindurch, das der Oberste Orcholyt in die Höhe hielt.
    Das Muhen und Rufen des Rinds geriet so verzweifelt und langgezogen, dass es Rowen eine Gänsehaut bescherte. Weil er so klein war, konnte er die Szenerie nicht sehen, was es umso schlimmer machte.
    Der Orcholyt donnerte:
    »Dir, Einer, geben wir Fleisch,
    Geben wir Blut,
    Geben wir Leben.«
    Das Messer sauste herab. Der letzte Ruf des Rinds endete so abrupt, als wäre er mitsamt seiner Kehle durchtrennt worden. Krachend landete der kolossale Körper auf dem Pflaster, unter widerwärtigem Gurgeln sprudelte das Blut.
    Eine eigenartige Stille folgte dem Todeskampf des armen Wesens, eine Stille, die Rowen wieder an ein Fallbeil denken ließ. Einzig eine Taube gurrte leise.
    Er blickte sich um und erstarrte. Seine Finger verkrampften sich um die Fackel.
    Nicht nur die Leute, die direkt neben ihm standen, schauten ihn an. Nein, der ganze Richtplatz hatte seine Augen auf ihn gerichtet. Selbst die Würdenträger und Novizen rund um das Podest schauten ihn an.
    Unmerklich war er während der gesamten Opferung weitergelaufen und stand nun inmitten der Menge, seine Fackel der einzige Lichtpunkt inmitten des Platzes.
    Niemand schien imstande, mit dieser Situation umzugehen. Weder die Konzilsleute, von denen keiner »Ergreift ihn!« rief, noch die Sichelstädter, die nur dastanden wie Tonfiguren, und am wenigsten Rowen selbst. Er zitterte und schloss immer wieder die Augen, einen Armbrustbolzen in der Brust erwartend.
    Wie eine Zielscheibe in der Menge stehen,
    etwas Dümmeres hat man noch nie gesehen!
    Mit einem Mal flammten weitere Lichter in der Menge auf; wie gefallene Sterne, die sich daran erinnerten zu funkeln. Es waren weitere Fackelträger, in denen Rowen Jolla, Oddo, Juditta, den Wirt Thoran und viele andere aus der Folterkammer erkannte, alle trugen sie Galgenstricke um den Hals. Auch Salus selbst stand mit einer Fackel einige Schritte neben ihm. Es war die perfekte Inszenierung, wie ein Schauspiel aus dem Amphitheater.
    Sie sind bei mir , dachte Rowen und seine Furcht wich einem unbestimmten Stolz, der seine Brust anschwellen ließ. Was tut Ihr nun, Ihr hohen Herren des Konzils?
    Sie taten zunächst einmal gar nichts. Nur die Stadtwachen und Konzilssoldaten, die sich hinter dem Schafott versammelt hatten, zogen eine Linie zwischen ihnen und dem Volk.
    Nun flogen auch die Liatretfenster der Regierungsgebäude auf und die Parolenschreiber schleuderten ihre Flugblätter heraus. Während des Opferritus mussten sie sich hineingeschlichen haben.
    Im Regen der Thesenzettel und Pergamentschnipsel, nach denen die Leute eifrig sprangen, im Schein der Fackeln, war es Salus, der seine Stimme erhob – wer auch sonst?
    »Freunde, Sichelstädter, Brüder und Schwestern!«, rief er und seine Worte hallten von den Wänden der Regierungsgebäude wider. »Bluten eure Ohren nicht allmählich von all den Lügen, die diese Männer da vorne verbreiten? Brennen eure Augen nicht von all den Ungerechtigkeiten, die ihr erblicken müsst? Seht euch Rowen an, den Mann in eurer Mitte! Er hat bewiesen, dass der Eine keine Macht mehr besitzt.«
    Zustimmendes Johlen kam auf, Fäuste wurden gereckt und Schals und Kappen in die Höhe geworfen.
    »So ist es, so ist es!«, skandierte die Masse. »Nieder mit Orchon!«
    Wieder war es Vizekanzler Adlantus, der zu einer Erwiderung ansetzte. Beinahe ging sie im Brüllen und Wogen der Sichelstädter unter. »Das da vorne sollen eure Helden sein? Ein Dieb und der Sprössling einer gescheiterten Konzilsfamilie?« Mit einem seiner ringbesetzten Finger deutete er anklagend auf sie. »Ihr wollt wirklich den Zorn des Einen auf euch ziehen, weil ihr den schiefen Reimen eines dahergelaufenen Barden glaubt?«
    Als er geendet hatte, stürzte das Fallbeil der Wut herab. Alles geschah auf einmal.
    Ein Schauer aus herausgerissenen Pflastersteinen, Pferdeäpfeln und allen erdenklichen anderen Wurfgeschossen jagte über die Kanzler hinweg. Sogleich stürzten die Konzilssoldaten vor ihre Befehlshaber und rissen Turmschilde hoch, um sie zu schützen. Es konnte nicht verhindern, dass der Oberste Orcholyt von einem besonders scharfkantigen Stein an der

Weitere Kostenlose Bücher