Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)
Bibliothekare an sich, dann kletterten sie die schmalen Stiegen hinauf, bis sie unter dem mit Fresken bemalten Dach des Bücherhorts angekommen waren. Nach dem Sicherheitsregal mussten sie nicht lange suchen – es war ein mannshoher Eisenschrank, mehr Tresor als Bücherregal.
»Dann wird das hier wohl der Schlüssel sein«, sagte Jolla und hielt ein silbernes Monstrum mit drei Bärten empor. »Was für Bücher sollen denn bitte in so einem Ungetüm aufbewahrt werden?«
Die mahnenden Worte von Marentius im Ohr, sagte Rowen: »Ich weiß es nicht, aber sei vorsichtig!«
Als Jolla den Schlüssel ins Schloss steckte und drehte, erklang das Dröhnen und Rattern eines Mechanismus. Die beiden Schranktüren schwangen nach außen auf. Entgegen ihrer Erwartungen befanden sich in ihm nicht ganze Reihen aus Büchern, sondern nur ein einziges.
Das Necronomicon .
Es war in gerissenes, undeutbar altes Leder gebunden. Zwei Ketten umspannten es, die auf der Mitte des Buchdeckels von einem Vorhängeschloss zusammengehalten wurden.
Ein Schauer lief über Rowens Rücken. Was konnte nur in diesem Buch geschrieben sein, dass es fast schon wie ein hochgefährlicher Mörder eingesperrt wurde? Mit zitternden Fingern nahm er es an sich.
»Was machen wir jetzt?«, fragte er.
»Ich bringe dich aus der Stadt raus, das machen wir. Dann werde ich überall herumerzählen, dass ich dich fachmännisch ins Geistermeer geschickt habe. Das wird dir hoffentlich genug Vorsprung geben, um Asht finden zu können.«
»Und meine Schwestern?«
Jolla klopfte ihm auf die Schulter. »Keine Sorge, deine Mäuseschar wird auch mitkommen! Erst bringe ich dich raus, dann hole ich sie. Lass das nur meine Sorge sein.«
»Wie soll ich dir jemals für all das danken?«
Jolla schenkte ihm ein Lächeln, das Rowen dem pockennarbigen Gesicht niemals zugetraut hätte. »Finde Asht, gib ihm dieses Buch und komm hierher zurück. Mehr will ich nicht von dir.«
Das Buch der toten Namen
Woher der Bleierne Fluss seinen Namen hatte, wusste niemand genau. Jedenfalls lag es nicht daran, dass er so langsam wie flüssiges Blei dahinströmte. Wie von einer rasenden Wut beseelt, brauste der längste Strom Galyriens vor Rowen seiner Mündung in die Sladonische See entgegen.
Rowen saß zwischen dem Uferschilf, hielt seinen gesunden Fuß ins Wasser und ließ den verletzten auf einem kopfgroßen Stein ruhen. Gleich neben ihm tockten Dutzende Ruderboote im Rhythmus der Strömung gegen ihren Anlegekai. Eines von ihnen gehörte Thoran, dem Vater von Jolla. Jeder Sichelstädter, der etwas auf sich hielt, besaß ein eigenes Schiff am Ufer des Bleiernen Flusses, selbst wenn es nicht viel mehr als eine Nussschale war. Der Wirt des Hüpfenden Schwammling war da keine Ausnahme gewesen.
Nachdem Jolla Rowen in einem Handkarren, versteckt unter Decken und Säcken, aus der Stadt geschafft hatte, hatte er ihn hier im hohen Schilf versteckt. Jetzt zog ein Strom aus Flüchtlingen, ebenso gewaltig wie der Bleierne Fluss, aus den Toren Sichelstadts an ihm vorbei. Reiche Kaufleute, Orcholythen und Menschen, die in diesem Chaos schlichtweg Angst um ihr Leben hatten. Ständig legten neue Familien in ihren Booten vom Kai ab oder holperten in Kutschen und zusammengezimmerten Karren über den Weg entlang des Ufers.
Gedankenverloren strich Rowen über den Einband des Necronomicon . Wie konnte das alles nur geschehen? Rowen war froh, wenn er all das mit seinen Schwestern hinter sich gelassen hatte und sich wieder sammeln könnte. Rosanna. Sie hatte ihn noch davor gewarnt, was geschehen würde, wenn das Konzil untergehen sollte. Sie hatte den Tod nicht verdient, genau wie so viele andere. Und das alles nur für die Rachsucht von Salus und seinem Komplizen Adlatus. Ich habe mich zur Marionette machen lassen , durchfuhr es Rowen.
Zwei Mädchenstimmen drangen an sein Ohr, noch zu weit entfernt, um sie genau verstehen zu können. Behutsam hob Rowen den Kopf aus dem Schilf.
Clodia und Domitia im Schlepptau, marschierte Jolla auf das Ufer zu. Immer wieder musste er den Finger an die Lippen heben und die beiden Schwestern zum Schweigen ermahnen.
Tief ausatmend, sackte Rowen zurück zwischen die Schilfhalme. Ihm kam es vor, als hätte sich ein Ziehen in seiner Magengrube mit einem Mal gelöst. Danke, wem auch immer ich dafür zu danken habe.
Er stand zitternd aus dem Schilf auf, verlagerte dabei sein Gewicht komplett auf das gesunde Bein.
»Da seid ihr ja!«, rief er seinen Schwestern zu und breitete die
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