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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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mit wem es nützlich sein könnte, eine Beziehung anzuknüpfen, und wen man besser auf Distanz hielt. Auf unseren Rat hin suchte Jan Martin Alexander von Humboldt auf, der sich eben in Teplitz aufhielt. Er wurde empfangen und beeindruckte den Freiherrn derart, dass der große Gelehrte ihn einlud, ihn im September zu einem Vortrag in Jena zu begleiten, wo die vierzehnte Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte stattfinden sollte. Jan Martin befand sich einige Tage im Zustand abgehobenster Euphorie.
     
    »Wir haben Baroness Kussmäulchen wieder mal zu Gast«, verkündete Melisande drei Tage vor seiner Abreise in der Küche, wo ich eine Torte dekorierte. »Sie tut zuckersüß und hat meine Frisur, unsere Cremeschnitten und die Tischdekoration gelobt. Sie ist heute alleine.«
    »Dann hat sie etwas vor, Melli!«
    Seit jener Begegnung im Tiergarten war Dorothea regelmäßig im Café erschienen, mal in Begleitung einer Bekannten, mal mit ihrem jüngeren Bruder.
    »Sie ist auf der Pirsch und duftet wie ein ganzes Bukett Rosen.«
    »Gilbert wird sich zu wehren wissen. Außer sie betäubt ihn mit ihrem Rosenduft. Ich gehe nach drüben und übernehme die Tortenbestellungen. Mal sehen, ob sie meine Frisur auch lobt.«
    In den vergangenen Monaten hatten wir den Gastraum neu gestaltet und eine Theke mit gläsernen Vitrinen aufgebaut, damit die Gäste sich ihr Gebäck durch Augenschein auswählen konnten. Nadina hatte befunden, dass exquisit verzierte Torten besser in ihrer Gesamtheit wirkten als aufgeschnitten auf dem Teller. Also fiel es mir zu, die gewünschten Marzipanschnitten, Schokoladentorten, Sahnebaisers, Biskuitrollen und Obsttörtchen auf dem Aufschneidetisch vor den Augen des Publikums auf die Teller zu heben. Eine delikate Aufgabe bei manch zartem, schaumigem Gebäck, zu dem man ein scharfes Messer und eine sichere Hand brauchte, um die kunstvolle Dekoration nicht zu zerstören. Ich besaß beides, und gerade, als ich für die Baroness, die auch zu mir mit herablassender Freundlichkeit gesprochen hatte, zwei Tortenstücke servierte, betraten Jan Martin und Gilbert das Café. Ich begrüßte sie lediglich mit einem Lächeln und einem Nicken und wies auf ihren Stammplatz, neben dem, sicher nicht zufällig, Dorothea Platz genommen hatte.
    »Schwarzer Kaffee und Batido, die Herren? Die Windbeutel sind heute mit Zitronencreme gefüllt«, empfahl ich.
    »Dann bringen Sie uns zwei davon und die üblichen Getränke.«
    Die kurze Zeit, die ich benötigte, um das Kakaogetränk zuzubereiten, hatte Dotty bereits genutzt, um Gilbert in ein Gespräch zu verwickeln. Als ich den Kaffee und die bittere Schokolade servierte, flötete sie: »Was für ein ausgefallenes Gebräu, mein lieber Herr de Valmont. Ist das die berühmte scharf gewürzte Schokolade, von der Sie mir berichtet haben?«
    Er bestätigte das, und mit einem Wimpernflattern entführte sie ihm die Tasse, um daran zu nippen. Ich beobachtete, wie sie mit Gewalt ihr Mienenspiel beherrschte. Es mochte ihrer der Süße zugeneigten Zunge überhaupt nicht behagen, aber mutig lächelnd kommentierte sie: »Ungewöhnlich, wirklich, sehr ungewöhnlich. Ich stelle mir vor, dass eine kleine Prise Muskatnuss ihm noch einen weiteren Reiz verschaffen könnte.« Sie zog ein silbernes Döschen aus ihrem Retikül und ließ es aufschnappen. »Ich würze meine Schokolade immer damit.« Bevor Gilbert sie daran hindern konnte, hatte sie schon von dem feinen brauen Pulver darübergestreut. »Probieren Sie und geben Sie mir recht, lieber Herr de Valmont.«
    »Gewürz aus zarter Hand ist immer ein Genuss«, erwiderte er galant und trank einen Schluck. »Bitterer als sonst, aber recht interessant.«
    Ich brachte ihnen die Teller mit den Windbeuteln und zog mich dann wieder an die Theke zurück, um den Kuchen für die nächsten Gäste aufzuschneiden. Das Geplänkel an dem Tisch ignorierte ich und konzentrierte mich auf die Wünsche, die an mich herangetragen wurden. Darum bekam ich auch nur im Augenwinkel mit, wie Gilbert sich plötzlich an den Magen fasste und das Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse verzog. Richtig erfasste ich die Situation erst, als er wie von einer Sehne geschnellt aufsprang und sich unter einem Röcheln nach hinten verkrümmte.
    »Gilbert!«, rief Jan Martin aus und versuchte, ihn festzuhalten. Doch der Franzose stürzte nach vorne zur Theke. Ich riss mit einer geschwinden Bewegung das Messer an mich, damit er sich nicht daran verletzte. Doch in

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