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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Brennschere zu langen Korkenzieherlocken geformten Haare setzte sie eine blaue Strohschute, die innen mit gefältelter hellrosa Seide ausgeschlagen war und ihrem blassen Teint schmeichelte. Sie betrachtete sich in dem hohen Ankleidespiegel und fand ihre Erscheinung frisch und kühl. Sie war bereit, an diesem Nachmittag das Herz des edlen Franzosen zu erobern, dem sie seit einigen Wochen immer wieder auf den Gesellschaften begegnete. Auch wenn sie keinerlei Liebe verspürte, so war der Plantagenerbe aus Trinidad bei Weitem ein besserer Fang als irgendein pommerscher Krautjunker. Das dumme Geschwätz war weitgehend verstummt und würde ihn als Ausländer bestimmt nicht interessieren. Und Interesse hatte er an ihr. Zumindest deutete sie seine mutwilligen Komplimente und seine bewundernden Blicke, die oft auf ihren blonden Locken ruhten, in dieser Richtung. Der nordische Hüne, der ihn ständig begleitete, war auch ein ganz ansehnliches Mannsbild, doch weder reagierte er auf ihre Flirtversuche noch gefiel ihr seine Herkunft. Arzt war er und stammte nur aus einer Kaufmannsfamilie. Gilbert de Valmont war zwar auch nur von zweifelhaftem französischem Adel, aber ihm haftete wenigstens nicht der Geruch von Kramwaren an. Außerdem würde er sein Weib nach Trinidad mitnehmen. Und die Vorstellung, den gesamten Atlantik zwischen sich und ihre Familie zu bringen, erschien Dorothea ausgesprochen reizvoll.
     
    Die Kutsche einer befreundeten Familie holte sie ab, und sie gab sich unter dem aufgespannten Sonnenschirm ganz und gar wohlwollend. Sie hörte sich mit Geduld die Possen an, die die beiden Kinder der einen Dame vollbracht hatten, streichelte das Schoßhündchen der Matrone, plauderte über einen Gedichtband, den sie nicht gelesen hatte, und das angenehme Wetter, das ihnen den Tag verschönen würde.
    Die Picknickgesellschaft war schon weitgehend versammelt, als sie eintrafen. Im Schatten unter den Bäumen hatte man blendend weiße Damastdecken ausgelegt, auf denen Tafelsilber, Kristall und zartes Porzellan schimmerten, Sitzpolster waren dekorativ verteilt, und eben wurden Platten mit allerlei Köstlichkeiten aufgetragen. Dorothea erspähte Gilbert de Valmont und seinen Freund und schlenderte wie unabsichtlich in ihre Nähe.
    Ihr gelang es, die beiden zu ihren Begleitern zu machen, und während der Mahlzeit, bei der sie nur wie ein Vögelchen Leckereien von ihrem Teller pickte – die Schnürung des Korsetts verhinderte jeden größeren Bissen -, gab sie sich neckisch und verspielt. Valmont ging darauf ein, dieser Jantzen saß überwiegend maulfaul daneben. Er taute erst auf, als ein junger Professor sich neben ihm niederließ, seine Pfeife anzündete und ihn über irgendwelche grässlichen Tropenkrankheiten befragte.
    »Wollen wir die beiden ihrem Knaster überlassen, Herr de Valmont? Ich muss gestehen, in dieser schönen Sommerluft stört mich der Rauch ein wenig.«
    »Wir machen Promenade zum Ufer. Kommen Sie, Mademoiselle, ich helfe Ihnen auf.«
    Anmutig ließ sich Dorothea auf die Füße heben und schlenderte dann an Gilberts Seite über die samtig grünen Wiesen. Zwar war der Park seit drei Jahren im Umbau begriffen, doch an dieser Stelle hatte man den ursprünglichen Barockgarten mit seinen abgezirkelten Rabatten schon in eine natürlich anmutende Landschaft umgewandelt. Büsche säumten kleine Wasserläufe, von zierlichen Brücken überspannt. Inselchen unterbrachen die Wasserfläche eines Sees, in dem sich im ruhigen Wasser die Kronen der alten Bäume spiegelten. Hortensien neigten ihre Blütenköpfe zu Füßen schimmernder Marmorgötter, und eine gusseiserne Bank unter einer Rosenlaube lud zum Verweilen ein. Wenn man auf ihr saß, schweifte der Blick unwillkürlich über die Wiesen zu einem kleinen Pavillon und einige kunstvoll verstreute Blumenanpflanzungen.
    Dorothea gab sich alle Mühe, die Aufmerksamkeit ihres Begleiters von der Schönheit des Gartens auf sich zu lenken, aber es wollte nicht so recht gelingen. Er begeisterte sich für die europäische Pflanzenwelt und die vollendete Architektur des Gartens.
    »Wenn man nur den Plantagenwald kennt, Mademoiselle, dann muss dies bezaubern«, entschuldigte er sich und führte sie auf einen Kiesweg Richtung Pavillon.
    Und hier scheiterte Dorotheas Fischzug.
    Ihnen entgegen kamen zwei junge Frauen. Die eine zierlich, schwarzhaarig und in einem Kleid in der Farbe der Morgensonne, die andere groß und schlank, mit dunklem Teint und blauen Augen, gekleidet in

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