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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Arbeitslohn kostet. Was glauben Sie wohl, Margarethe, warum es heute eine so große Auswahl an Stoffen, Bändern und Spitzen gibt? Spinn- und Webmaschinen arbeiten effizienter als Menschen.«
    »Wenn immer mehr Maschinen die Arbeit übernehmen, werden die Menschen noch fauler.«
    »Vielleicht auch nicht. Wenn sie weniger arbeiten müssen, können sie mehr lernen. Und wer mehr gelernt hat, kann bessere Arbeit leisten. Wir werden viele kluge und gut ausgebildete Leute brauchen, die Maschinen bauen und sie in Betrieb halten.« Das war ein Gedanke, den man sicher noch viel weiter spinnen musste, aber Margarethe fuhr dazwischen: »Papperlapapp. Sie werden sich dumme Ideen aneignen und versuchen, eine Revolution anzuzetteln. Wie weiland 1789.«
    »Ja, Schwägerin, das könnte passieren«, entgegnete mein Gatte ihr in scharfem Ton. »Um das zu verhindern, müssen wir sie daher dumm und hungrig halten. Aber deckt sich das mit deiner Vorstellung von christlicher Nächstenliebe?«
    Hoppla, Anton konnte ja geradezu biestig werden, und Margarethe, Hermine im Schlepptau, verließ beleidigt das Wohnzimmer. Melli wünschte uns auch gute Nacht und huschte hinaus, und er sah mich müde an.
    »Ich habe nicht geahnt, wie sehr sie auf dir herumhacken würden, Amara, Liebe. Es war heute eine sehr hässliche Szene in der Küche.«
    »Schon gut, Anton. Ich weiß mich zu wehren.«
    »So sollte das aber nicht sein. Ich werde in den nächsten Tagen mit jeder von beiden ein sehr, sehr ernstes Gespräch führen.«
    Ich hoffte nur, dass es dadurch unser Verhältnis nicht noch unerträglicher machte. Die Damen Bevering waren von äußerst nachtragendem Charakter.
    Anton griff nach einem der letzten Plätzchen, die ich für das Dessert übrig behalten hatte. Diese Kekse waren mit einer dicken Schokoladenglasur überzogen, und aus Mandelblättchen hatte ich kleine Blüten darauf geformt.
    »Sie sind köstlich«, sagte er versonnen. »Dieser Überzug macht sie einfach noch leckerer.«
    »Ja, aber das können wir nicht für die Kinder zubereiten, Anton. Das ist wirklich zu teuer. Für die Glasur verwende ich reine Schokolade, die mit feinstem Zucker, Vanille und Butter vermischt ist. Das ist der Grundstoff, den man auch für Pralinen verwendet.«
    »Du weißt sehr viel darüber, meine Liebe. Und ich überlege, ob man nicht Essschokolade in kleinen Mengen herstellen sollte, um gesundheitsfördernde, aber übelschmeckende Arzneien darin zu verarbeiten.«
    Ich musste lächeln. Immer suchte Anton nach Möglichkeiten, seinen Kunden die bitteren Arzneien zu versüßen. Aber wahrscheinlich tat er gar nicht schlecht daran. Es brachte die Patienten dazu, ohne Widerwillen ihre Medizin zu schlucken. Warum sollte man, wenn man krank war und litt, auch noch mit eklig schmeckenden Mitteln drangsaliert werden?
    »Ich kann Ihnen Ihre ›Gesundheitsschokolade‹ herstellen, Anton. In kleinen Mengen und zu einem hohen Preis.«
    Er schmunzelte. »Du glaubst gar nicht, was Menschen bereit sind, für ihre Gesundheit zu zahlen!«

Private Club und Irish Pub
    Eine sanfte Brise umfange dich,
wenn der Sommer kommt,
ein wärmendes Feuer sei dir nicht fern,
wenn der Winter naht.
Und immer stütze dich
das aufmunternde Lächeln eines Freundes.
    Altirischer Segenswunsch
     
     
    Jan Martin betrachtete die strenge klassizistische Fassade des hohen Hauses am St. James’s Park und erfreute sich einen kleinen Augenblick an der ausgewogenen Harmonie von Türen, Fenstern, Pilastern und Simsen. Dann trat er durch den winzigen, mit weißem Kies bestreuten und mit steinernen Urnen gestalteten Vorplatz, um den Türklopfer in Form eines beißwütigen Bronzelöwens zu betätigen.
    Ein steifer Butler öffnete ihm, und er reichte ihm seine Visitenkarte mit der Bitte, den Hausherrn, so anwesend, sprechen zu dürfen. Der würdige Diener bat ihn ins Haus und verschwand, kehrte aber sogleich zurück, um ihn mit einer förmlichen Verbeugung in die Bibliothek im ersten Stock zu geleiten.
    Der stämmige Oberst, mit einer Neigung zum Embonpoint, jedoch noch immer straffer Haltung, stand von seinem Schreibtisch auf und kam die wenigen Schritte verbindlich lächelnd auf ihn zu.
    »Ein Gast aus der Heimat ist mir immer willkommen, Herr Doktor Jantzen. Wie kann ich Ihnen gefällig sein?«
    »Indem, Sir Nikolaus, Sie dieses Schreiben wohlgeneigt zur Kenntnis nehmen wollten«, sagte Jan Martin und überreichte Dettering ein zusammengefaltetes Billet. Er wusste, es enthielt nur zwei Worte:

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